Dienstag, 30. April 2013


Abt. Lachnummer - heute: Datenklau


Wir erinnern uns: Vor rund einem Jahr machte ein Informatiker des Schweizer "Geheimdienstes" - in dubio pro reo - ein unerlaubtes off-site-Backup geheimer Daten. Die SonntagsZeitung schrieb am 30.9.2012:

5. Mai 2012: Der Datendieb fängt an, den Mail-Server des Geheimdienstes auf mehrere mobile Festplatten zu kopieren. In den Mails sind hochsensible Dokumente ausländischer Geheimdienste.
Der Mann nimmt die Disks mit nach Hause. Drei Wochen später flog er schon auf. Seit ein paar Tagen liegt der Bericht des Militärdepartements zu der Angelegenheit vor: berichtndbd (application/download, 96 KB) . Sein suggestiver und bereits irreführender Titel:
Verhinderter Datenabfluss im Nachrichtendienst des Bundes (NDB)
Natürlich wurde der "Datenabfluss" eben gerade nicht verhindert. Sondern es konnte tatsächlich einer während Tagen im Mai 2012 harddiskweise Daten aus dem Allerheiligsten des Nachrichtendienstes des Bundes abschleppen. Aber egal. Für das VBS zählt das nicht als Datenabfluss.

Der Mann war offenbar ein Nerd par excellance. Einer aus der WG von "Big Bang Theory". Der Bericht schreibt über ihn:

Der hoch spezialisierte und sehr kompetente Individualist grenzte sich gegenüber Kollegen und Vorgesetzten zunehmend ab. (...) Weiter wurde festgehalten, dass X durch seine Fachkompetenz als einziger Mitarbeiter des NDB über sehr spezifische Kenntnisse über den Betrieb wichtiger Datenbanken des NDB verfügte.
Ein unersetzlicher Mann mit Exklusivwissen! Dass er (ab hier: "Herr X") erwischt wurde, ging, laut dem Bericht, Seite 6, so (Achtung, grosses Kino!):
Am 18. Mai 2012 wurde ein Mitarbeiter des NDB über einen bestehenden Informationskanal von Seiten einer Grossbank telefonisch darüber orientiert, dass ein Herr X bei einer Filiale dieser Bank ein Nummernkonto eröffnen wolle. Als Grund für die Kontoeröffnung gab er an, eine grössere Summe aus Verkäufen von Bundesdaten zu erwarten. Als X vom Bankmitarbeiter darauf hingewiesen wurde, dass Gelder aus kriminellen Aktivitäten von der Bank nicht akzeptiert würden und X seinen Vorgesetzten informieren müsse, antwortete dieser, dass sein Vorgesetzter nicht im Bild sei.
Was erzählt uns der Schweizer Geheimdienst da? Nochmals ganz langsam: Sein Ober-Nerd-Mitarbeiter X marschierte zur Bank und sagte, "ich erwarte Geld aus dem Verkauf (von dem niemand weiss) von Geheimdaten und brauch ein Nummernkonto"? Meint das VBS im Ernst, dass ihm irgendjemand sowas glaubt? Auch egal. So ging's weiter:
Am Abend des 25. Mai wurde X verhaftet. Dabei konnten die Datenträger vollständig sichergestellt werden. Noch am selben Wochenende wurden sie überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass die kopierten Daten vollständig vorhanden waren.
Das VBS hat also alle Nullen und Einsen gezählt und kam zum Schluss: "Es sind noch alle da!" Und meint ernsthaft, das habe auch nur den geringsten Erkenntniswert? Auch egal. Das VBS glaubt das. Weiter im Bericht:
Am 27. September 2012 wurde von der Bundesanwaltschaft öffentlich bekannt gegeben, dass X bereits konkrete Vorbereitungen für einen Datenverkauf getroffen hatte. Ebenso wurde von den Strafverfolgungsbehörden bekannt gegeben, dass es keine Hinweise gebe, dass die entwendeten Daten kopiert oder weitergegeben worden seien.
Wie will das VBS festgestellt haben, dass die Disks NICHT kopiert worden sind? Sieht es einer Datei auf Harddisk 1 an, ob von ihr eine Kopie existiert auf Harddisk 2 am anderen Ende der Welt? Natürlich nicht. Auch egal! Man weiss nicht wie, aber es kommen die Meisterspione zum unzweifelhaften Schluss:
Es kann festgehalten werden, dass das Hauptziel erreicht wurde, die gestohlenen Daten sicherzustellen, deren Abfluss zu verhindern und so das Auftreten eines Schadens für die Schweiz abzuwenden.
Und über den Bericht der NDA, der "Nachrichtendienstlichen Aufsicht", die zuhanden von Ueli Maurer ebenfalls einen Bericht in der Sache erstellt hat, steht im VBS-Bericht:
In ihrem Schlussbericht vom 30. November 2012 stellt die NDA fest, dass es sich beim Vorfall nicht primär um einen informationstechnischen Sicherheitsvorfall handelt, sondern um eine zögerliche Reaktion in der Personalführung.
Das ist der Schweizer Nachrichtendienst im 21. Jahrhundert! Eigentlich rührend! Vielleicht war Schmidt-Eenboom drum so freundlich in seiner Kritik.


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Abt. blinder Fleck - heute: Beschäftigungszahlen


BASF und andere bauen massiv Stellen ab. Aber einer findet, wir unterlägen einem Denkfehler, wenn wir das überschätzen. Matthias Zehnder, Chefredaktor der Basellandschaftlichen Zeitung, schrieb am 27.4.:

Die Zahl der abgebauten Stellen scheint uns enorm hoch. Dabei geht vergessen, dass in Basel auch viele neue Stellen geschaffen werden. Weil das Schaffen einer Stelle keine Nachricht ist, berichten die Medien nicht darüber. Deshalb überschätzen wir die Zahl der abgebauten Stellen und wir unterschätzen die Zahl der neuen Stellen.
In Basel werden "viele neue Stellen geschaffen"? Aha? In seinem Kommentar belegt Zehnder seine Behauptung nicht. Also müssen wir selber nach Zahlen suchen.

So umittelbar einleuchtend es erscheint, dass eine aktuelle, laufend nachgeführte Statistik über die im (nicht beim!) Kanton Beschäftigten eine relevante Kenngrösse wäre zur Beurteilung der ökonomischen Prosperität eines Kantons, so ernüchternd ist die Suche danach. Sie führt ins Leere! Es gibt sie nicht.

Nicht beim kantonalen Amt für Statistik. Dort gibt's zwar eine quartalweise aktualisierte Tabelle der "Beschäftigung in der Nordwestschweiz (BESTA)". Die "Nordwestschweiz" ist aber der Zusammenzug der Zahlen von BS, BL und AG.

Und: Die BESTA ihrerseits beruht zudem nicht auf effektiven Zahlen, sondern auf einer

repräsentativen Stichprobe von 62'000 Betrieben des sekundären und tertiären Sektors.
Diese rapportieren per Fragebogen an das Bundesamt für Statistik, das die Daten nach Grossregionen (z.B. Nordwestschweiz = BS + BL + AG), nicht nach Kantonen(!) auswertet. Als Grund für diese geographische Unschärfe antwortet der zuständige Francis Saucy
L’échantillon est tiré de manière à fournir des résultats fiables au niveau des grandes régions et nous produisons des résultats à ce niveau
Auf die Frage, ob sich denn aus den Daten keine Kantonszahlen extrahieren liessen, schreibt er
Nous ne pouvons donc pas fournir des résultats pour chacun des cantons. Les cantons et grandes villes qui le souhaitent ont la possibilité de financer des compléments d’échantillon. C’est le cas de GE, NE, SG, VD et StadtZurich. Les résultats que nous produisons pour eux sont publiés directement par ces régions.
Einige Orte investieren also extra in die Beschäftigtenstatistik. Die Nordwestschweizer nicht. Ergo gibt's die Beschäftigtenzahlen zu Basel-Stadt auch: Nicht beim Bundesamt für Statistik.

Und ebenso:

Nicht beim Amt für Wirtschaft und Arbeit. Das AWA publiziert zwar fleissig jeden Monat zur "Lage auf dem Basler Arbeitsmarkt. Aber darin steht lediglich, was sich in Sachen Arbeitslosenzahlen resp. offene Stellen tut.

Hansjürg Dolder, Leiter des AWA erklärt auf Anfrage, dass auch sein Amt die Zahlen des BfS verwende. Gefragt danach, ob eine Statistik darüber existiere, wieviele Menschen auf Kantonsgebiet arbeiteten, erklärt er,

dass es auf Kantonsniveau keine aktuelle mit den Arbeitslosenzahlen vergleichbare Zahlenreihe zur Beschäftigung gibt.
Das war's dann wohl. Matthias Zehnders Behauptung, dass
in Basel auch viele neue Stellen geschaffen werden
lässt sich durch eine solide Statistik weder erhärten noch falsifizieren. Solange kann jeder zu dem Thema behaupten, was seinem Chefredaktorenhirn grad einfällt. Sehr ärgerlich! Und objektiv ein blinder Fleck der sonst doch so statistikverliebten Verwaltungen. Woran misst dann die ganze Wirtschaftsförderung ihre Erfolge, wenn es keinerlei wirklich aktuelle Zahlen gibt zu den Beschäftigungszahlen?

Mir fällt zu Not nur noch die AHV ein als Datenquelle. Wenn wir als "BeschftigteN" definieren, wer in einem bestimmten Zeitabschitt AHV einbezahlt hat, dann müsste die kantonale Ausgleichskasse aus ihrem System die Zahl extrahieren können. Aber die Ausgleichskasse schloss heute bereits um 12, wie die gesamte Kantonsverwaltung, wegen des 1. Mai die Schalter.

Fortsetzung folgt. Vielleicht.

Nachtrag: Nicht einmal der "Wirtschaftsbericht 2012" des Regierungsrats nennt auch nur eine einzige absolute Zahl zu den Beschäftigten im Kanton. Dafür ventiliert er seeehr viiiel warme Luft! Und ohne eine einzige Zahl als Beleg orakelt er freihändig auf Seite 30:

Zudem überdeckt der Erfolg der LifeSciences-Industrie gewisse Schwächen in anderen Branchen, deren Entwicklung in den letzten rund 15 Jahren weder punkto Wertschöpfungswachstum noch punkto Beschäftigung mit der stärksten Branche mithalten konnten. Besonders bei der Beschäftigungsentwicklung weist Basel-Stadt Schwächen auf und konnte, über eine längere Frist betrachtet, nicht mit dem Nachbarkanton Basellandschaft oder mit anderen Schweizer Regionen mithalten.
In dem im August 2012 erstellten Dokument ist die aktuellste Aussage die auf Seite 1:
Die Zahl der Erwerbstätigen ist im Kanton Basel-Stadt zwischen 2008 und 2010 leicht um 0,5% p.a. gestiegen.
Natürlich ohne absolute Zahl oder Quellenangabe. Der Bericht erfüllt generell den Mindeststandard, dass Zahlenangaben per Referenz auf ihre Quelle belegt gehören, nicht. Diese Grundanforderung war den Autoren offenbar fremd. So könnte der "Wirtschaftsbericht 2012" frei erfunden sein, oder voller kreuzfalscher Zahlen stecken. Niemand würd's merken.

Offenbar geht das so durch bei Verwaltung und Regierung. Und auch das Parlament nickte den Wisch am 12.9.2012 ab.

NACHTRAG II, 2.5. 15:20: Peter Laube, Vize-Chef des Statistischen Amtes Basel-Stadt, erklärt die Sache freundlicherweise in einem Mail heute. Es ist so:

Zuerst zum Status Quo: Die Beschäftigungsstatistik (BESTA) ist eine vierteljährliche Stichprobenerhebung des Bundesamtes für Statistik, die Ergebnisse auf Ebene der sog. Grossregionen liefert. Die Grossregionen sehen folgendermassen aus.

Genferseeregion GE, VD, VS Espace Mittelland BE, FR, JU, NE, SO Nordwestschweiz AG, BL, BS Zürich ZH Ostschweiz AR, AI; GL, GR, SG, SH, TG Zentralschweiz LU, NW, OW, SZ, UR, ZG Tessin TI

Von der Möglichkeit einer kantonalen Erhöhung der BESTA-Stichprobe hat Basel-Stadt, wie übrigens die allermeisten Kantone abgesehen. Zum einen wären die Kosten sehr hoch, zum anderen die Belastung der vierteljährlich Auskunft gebenden Betriebe kaum zu verantworten. Vor allem aber kommt hinzu, dass mit der derzeitigen Neukonzeption der Betriebszählung die Beschäftigtenzahlen künftig jährlich, auch auf Kantonsebene vorliegen werden. Die Betriebszählung, neben der Volkszählung traditionell die andere grosse landesweite Vollerhebung im 10-Jahresrhythmus, fand ursprünglich in den 5-er Jahren (1975, 1985 …) statt. Um der sich schnell ändernden Wirtschaftsstruktur gerecht zu werden, wurde die Periodizität in den 90-er Jahren erhöht (1995, 1998, 2001, 2005, 2008). Mit dem Übergang von Erhebungen zu registerbasierter Statistik wurden die Daten von 2011 nicht mehr aufwändig durch das Bundesamt für Statistik bei allen Betrieben erhoben, sondern erstmals den AHV-Registern entnommen. Das ist ein Paradigmenwechsel, der zumindest in der Anfangsphase noch keine zeitliche Verbesserung bringt. Die Daten werden vorerst wie bisher nach rund zwei Jahren vorliegen, also vom Herbst 2011. Aber: Die Daten werden künftig jährlich zur Verfügung stehen und es ist davon auszugehen, dass sich die Zeit zwischen Stichtag und Publikation verringern dürfte.

Künftig werden somit jährlich detaillierte Daten zur Beschäftigung auf Kantonsebene vorliegen.

Ok. In Zukunft wird alles besser. Und die Fachleute sind auch darauf gekommen, man könnte bei der AHV die Daten holen... Aber irgendwie bleibt ein schaler Geschmack im Mund zurück, dass es bis dato tatsächlich keine (mindestens quartalsweise) aktuellen, effektiven Zahlen gibt über die Anzahl Beschäftigte (wenn möglich: nach Branchen) in Basel-Stadt. Das kann, auch für Statistikskeptiker, fast nur eines heissen:

Das Wirtschafts(und Sozial) und das Finanzdepartement fällen ihre wirtschaftspolitischen Entscheidungen (soweit sie überhaupt solche fällen) seit Jahr und Tag so gut wie im Blindflug! Die Wirtschaftsförderung hat keinerlei solide Erfolgskontrolle. Und: Dem Parlament war das bis anhin schnuppe.


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