Freitag, 31. Januar 2014


Abt. Studien-PR - heute: TCS & Mobilitätsakademie


Die Wikipedia-Seite der so genannten "Mobilitätsakademie" wurde von einer IP-Adresse des TCS (193.109.95.28) aus angelegt. Das und anderes spricht dafür: Die so genannte "Mobilitätsakademie" ist eine Tarnorganisation des TCS.

Bild: mobilityacademy

Auch wenn ihr "wissenschaftlicher Mitarbeiter" Alain Brügger in einem Mail an mich anderes behauptet:

Bezüglich unserer Beziehung zum TCS Oftmals werden wir als „TCS“ bezeichnet, dabei zu unrecht. Als Tochtergesellschaft des TCS sind wir eine eigenständige AG mit eigenem Verwaltungsrat und bestimmen unsere Themenfelder grundsätzlich selbst, da wir nicht an die Agenda des TCS gebunden sind. Auch sind wir zu 100 % eigenfinanziert über Beratungsmandate, Forschungsprojekte, usw. und wir kooperieren oft mit anderen Partnern als dem TCS.
Der TCS will mehr Parkplätze für Blechkisten. Also verschickt gestern die "Mobilitätsakademie" ein Communiqué u.a. an die Schweizerische Depeschenagentur SDA mit einem europäischen Länder-Ranking von "Anzahl bewirtschaftete Parkplätze pro tausend Stinkrocheln" - und Helvetien ist prompt Schlusslicht. Dazu bemerkt @andbehold zu recht:

Die Copy-Paste-Journaille macht daraus zweierlei. Die ganz faulen übernehmen ungeprüft den schönfärberischen und irreführenden SDA-Text, wie z.B. 20min, der nicht mal die Verbandelung von "Mobilitätsakademie" und TCS transparent macht, und die getarnte Lobbyorganisation sogar ungefragt zur "Denkfabrik" adelt.

Watson andererseits nennt zwar immerhin den TCS, schreibt aber völlig tatsachenwidrig und frei erfunden im Titel: "Nirgends in Europa hat es so wenige Parkplätze wie in der Schweiz".

Das Machwerk selber behauptet:

Nirgendwo sonst in Europa hat es so wenig öffentliche Parkplätze wie in der Schweiz! Zu diesem Schluss kommt die Mobilitätsakademie in ihrem neuesten internationalen Leistungsvergleich, der sich mit dem ruhenden Verkehr befasst. Pro 1000 Personenwagen stehen nur 84 bewirtschaftete Stellplätze zur Verfügung.
"bewirtschaftete Stellplätze" meint alles, was weiss oder blau ausgezeichnet ist in Städten mit über 20'000 Einwohner_innen, wo ein Luftverpester daraufgestellt werden kann, gratis oder gegen Entgelt, in einem Parkhaus, auf der Strasse oder sonstwo.

Anderer, nicht bezeichneter Raum, um eine Karre hinzustellen, ist nicht erfasst. Und davon gibt's - auch hierzulande - doch noch ziemlich viel (siehe z.B. hier unter "M")

Das Communiqué macht, "rechtzeitig" vor der Abstimmung, auch noch einen argumentativen SVP-"Dichtestress"-Schlenker, ohne jeden zwingenden Bezug zum eigentlichen Thema:

Sollte in der Schweiz trotz wachsender Bevölkerung und Fahrzeuggrösse weiterhin ein zu knappes Parkplatzangebot bestehen bleiben, droht der Parkplatz zum Luxusgut für Bessergestellte zu werden.
Implizite SVP-Propaganda aus dem Hause TCS. Nichts anderes. Man beachte insbesondere die Kommentare unter der "Meldung" z.B. bei 20min.

Weil die Sache von vorne bis hinten stinkt, frag ich mal freundlich nach bei Alain Brügger, der als Kontaktperson angegeben wird:

Sehr geehrter Herr Brügger,

Sie werden hier als Ansprechperson genannt. Darum meine Frage:

Könnten Sie mir die Originaldokumente von EPA und UNECE zukommen lassen, oder Links dahin, auf die sich ihre Medienmitteilung stützt? Oder gibt es eine ausführlichere Untersuchung aus Ihrer Feder, die hinter der Medienmittielung steckt? Dann würde ich die gerne lesen, wenn das möglich wäre.

Der Grund: Ich würde gerne nachvollziehen, wie sie auf das Ranking kommen.

EPA und UNECE werden in der Legende zur Grafik im Communiqué als Datenquellen genannt. Darauf antwortet er
Zu den Daten unserer Medienmitteilung

Das Ranking basiert auf einem Bericht der EPA (die Quellen bei der Grafik sind übrigens angegeben, mit etwas googeln findet man die Studie sehr schnell) welcher die öffentlich bewirtschafteten Parkplätze in Europa erhebt. Den Bericht gibt es hier. Die Daten zur Anzahl an zugelassenen Personenwagen haben wir von der UNO Wirtschaftskommission für Europa: UENEC Datenbank: Personenwagen pro 1000 Einwohner

Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Also rechne ich nach und komme zu anderen Ergebnissen.
Besten Dank für die Angaben. Ich hab kurz nachgerechnet:

Personenwagen in der Schweiz 2012 gemäss BfS: 4,254 Millionen

Bewirtschaftete Parkplätze in der Schweiz gemäss EPA: 338'474 (234'114 off-street, 104'360 on-street), Studie S. 15. Das ergibt: (Parkplätze / Auto) * 1'000 = 79,6. Sie schreiben aber 84.

Fall Griechenland: Passenger Cars pro 1'000 Einwohner, die jüngste bei der UNECE verfügbare Zahl stammt von 2005: 388. Einwohner Griechenlands 2005: 11 Millionen => Anzahl Autos insgesamt => 388 * 11'000 = 4,268 Mio Autos. Anzahl bewirtschaftete Parkplätze gemäss EPA: 1'451'523 => (Parkplätze / Autos) * 1'000 = 340. Sie schreiben aber 283.

Ich komme in der Schweiz auf eine 5% kleinere und in Griechenland auf eine 20% grössere Zahl, als sie gestern publizierten. Wie erklären Sie mir die Differenz?

Darauf er:
Die Differenz erkläre ich mir damit, dass Sie nicht mit denselben Daten arbeiten wie wir und den PKW-Bestand aus unterschiedlichen Basisjahren vergleichen. Wir haben mit dem Basisjahr 2010 gerechnet wo uns der PKW-Bestand für Griechenland und die übrigen Länder vorlag, in Einzelfällen stammten diese Daten aus der statistischen Datenbank der Europäischen Union (EUROSTAT). Da in den letzten Jahren der PKW-Bestand in Europa stark zunimmt, ist es problematisch Zahlen aus unterschiedlichen Jahren miteinander zu vergleichen.
Darauf ich
Ok, aber hier hat's keine aktuelleren als 2005 für Griechenland. Und sie schrieben mir: "Die Daten zur Anzahl an zugelassenen Personenwagen haben wir von der UNO Wirtschaftskommission für Europa: UENEC Datenbank: Personenwagen pro 1000 Einwohner" Woher haben Sie denn die Zahlen für Griechenland?
Darauf ruft er an, sagt, die Zahlen seien von EUROSTAT und bezögen sich auf 2010, mailt aber kurz danach:
Ich habe noch einmal die Datentabelle angeschaut, wir haben mit Stand 2009 für den PKW Bestand gerechnet.
Darauf ich um 13:42 heute:
Bei Eurostat die aktuellste Zahl für Griechenland ist noch älter als bei UNECE, sie ist von 2003. Woher haben Sie Ihre Zahlen? Ein einfacher Link reicht mir.
Seither herrscht Funkstille.

Halten wir fest: Auf einfache Nachfragen verheddert sich der "wissenschaftliche Mitarbeiter" der "Mobilitätsakademie" des TCS in Widersprüchen und kann keine konsistente Auskunft geben über die Datenquellen für die Zahlen und Grafiken, die mit seiner "Unterschrift" gestern in Dutzenden von online-Medien rumgereicht wurden und heute - ich mag gar nicht nachschauen - vermutlich auch auf Papier rumgammeln und ihre Nullbotschaft verbreiten.

Ich hab sowas von die Schnauze voll von Studien-PR, die in 99% der Fälle mit - eigentlich - völlig durchsichtigen Motiven irgendwelchen Hafenkäse behauptet aufgrund irgendwelcher angeblich vorhandener oder nicht vorhandener Daten!

Und ich hab ebenfalls die Schnauze voll von einer Journaille, die diesen Dreck ungeprüft unkritisch durchwinkt und in den angeblich "redaktionellen" Teil hievt!

Macht doch mal alle endlich eure Hausaufgaben (auch das MAZ!!!)! Bis dann könnt ihr euch eure "News-Sites" und Gratisblätter sonstwohin stecken!

NACHTRAG Mail um 17:03 von Alain Brügger

Hier der Link zu den entsprechenden Zahlen bei EUROSTAT. Denken Sie daran die Filter für Personenwagen und Regionen, etc. korrekt einzustellen. Wir haben für Griechenland 2009 5,132 Personenwagen pro 1'000 Einwohner gefunden.

Ich würde es begrüssen, wenn Sie uns künftig etwas mehr Zeit lassen auf Ihre Anfragen einzugehen, ehe Sie uns bei Twitter an den Pranger stellen. Sollten Sie unsere Ergebnisse nun nachvollziehen können, wäre eine Richtigstellung auf Twitter wünschenswert. Vielen Dank.

Übrigens geht es bei unserer Studie nicht um die Parksituation in Griechenland, sondern darum, dass öffentlicher Raum in der Schweiz knapp ist und wir damit verantwortungsvoll umgehen müssen. Wir möchten mit diesem Ranking ein offene Debatte zum Thema Parkieren anregen, denn oftmals beschränkt sich die Diskussion auf die Anzahl Parkplätze und blendet die Möglichkeit einer Effizienzsteigerung der Flächennutzung, wie beispielsweise durch Förderung des Langsamverkehrs (eine äusserst flächenschonende Art sich fortzubewegen) oder die angesprochenen Parkplätzbörsen. Unserer Meinung sollten sämtliche Lösungsansätze in solche Diskussionen einfliessen und nicht nur eine Verminderung / Vermehrung der Parkplätze. Welches letzten Endes die beste Lösung für die Schweiz ist, vermögen wir auch nicht zu beurteilen.

Darauf ich:
Also nochmals:

Griechenland 2009: 11,3 Mio Leute Eurostat 2009: 5'132 Autos pro tausend Leute => 5'321 * 11'300 = 6,01 Mio Autos in Griechenland 2009 Parkplätze: 1'451'523 => (1'451'523 / 6'010'000) * 1000 = 241. Sie schreiben 283. Wieder eine unerklärliche Differenz zu dem, was Sie gestern publizierten.

Legen Sie einfach für alle Länder die Zahlen und die Quellen auf den Tisch in einer Excel-Tabelle. Dann wär die Sache gegessen.

Natürlich geht es nicht um Griechenland, aber wenn die Zahlen dort schon nicht stimmen, was soll ich dann von den anderen denken?

Darauf umgehend die automatische Antwort von Brüggers Mailserver:
Ich bin bis Donnerstag, 6. Februar 2014 nicht im Büro. In dieser Zeit lese und beantworte ich meine E-Mails nicht.
Tja. Zunächst gestern im Communiqué eine falsche Quelle nennen (UNECE), dann widersprechen die heute mit EUROSTAT berechneten Zahlen nochmals den gestern publizierten und schliesslich ins Wochenende abmelden. Kann man machen.

NACHTRAG 2 von Brügger, 17:48

Verzeihen Sie abermals meinen Fehler, die Daten sind nicht PKW pro 1000 Einwohner sondern Anzahl PKW (in 1'000er Einheiten) in Griechenland. Sie können die Tabelle konsultieren dort steht ja auch: Stock of vehicles by category and NUTS 2 regions.

Wir haben also 5'132'000 Autos für Griechenland und dann die Zahlen aus der EPA Studie (es tut mir Leid, ich bin derzeit nicht im Büro und habe die Unterlagen nicht zur Hand). Können Sie die Berechnung nachvollziehen?

Gerne kann ich Ihnen nächste Woche die Tabelle mit allen Zahlen zusenden...

Darauf ich:
Griechenland 2009: 11,3 Mio Leute Eurostat 2009: 5'132'000 Autos in Griechenland 2009 Parkplätze: 1'451'523. (1'451'523 / 5'132'000) * 1000 = 283. Na also... Warum denn nicht gleich? Warum erst die falsche Quelle? Sei's drum. Meine Skepsis bleibt.
So, Wochenende!


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Abt. Fröhliche Wissenschaft


Die Mär vom extrem eisenhaltigen Spinat hält sich hartnäckig seit 125 Jahren, geht aber auf einen Fehler eines Experten im Jahr 1890 zurück, dem entweder die Kommastelle von 3,5 mg Eisen/100g Spinat auf 35 mg verrutschte oder der einfach getrockneten Spinat testete. OK, 3,5 mg ist immer noch viel Eisenateil, aber das ist nicht herausragend viel; Erbsen enthalten 5 mg, Linsen gar 6 mg. Ähnlich verhält es sich mit der Bevölkerungskatastrophe, die sei nämlich glatt erfunden, wie uns ein Bericht in der http://www.taz.de/Demografie-als-Angstmacher/!131729/ über Prof. Gerd Bosbach aufklärt. Bosbach ist Statistik-Experte und legt dar, auf welch' wackligen Füssen all die langfristigen Prognosen zur Überalterung der Gesellschaft stehen, die uns nicht nur in deutschen Medien pausenlos um die Ohren gehauen werden. Und er erklärt auch, welche massiven wirtschaftlichen Interessen hinter der vermeintlichen Vergreisung der Gesellschaft stehen. Z.B. die Interessen der Versicherer, die uns mit Horrorszenarien über künftig unbezahlbare Renten- und Gesundheitskosten ihre private Vorsorge verkaufen wollen. Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast: Bosbach untersuchte viel und stellte fest: "Die Prognosen der Wirtschaft halten in der Regel nicht mal ein halbes Jahr der Realität stand." Wirtschaft und Politik bevorzugen langfristige Prognosen, die lassen sich je nach Interesse auslegen, taugen aber so gut wie nichts, 50 Jahre vorausgucken sei "Kaffeesatzleserei". Dagegen würden die weitaus zuverlässigeren 5-Jahres-Prognosen kaum beachtet, würden diese doch zu konkretem Handeln Anlass geben. Bosbach kommt zum Schluss: "Die Demografie ist eine Zauberformel zur Durchsetzung von rücksichtslosen Einschnitten ins Sozialsystem." Und eine von Bosbachs Forderungen an die scheinheiligen Überalterungs-Prediger ist, sie sollten heute was für die gute Entwicklung von Kindern und Jugendlichen tun; statt sie mit, ich nenne es mal "popeymässigem Spinat", verrückt zu machen. Hier noch ein kleines Beispiel für nützliche Statistik aus einem Bericht der http://www.sonntagszeitung.ch/home/artikel-detailseite/?newsid=259782 aus dem Sommer 2013 über Schulhäuser: "Die Bildungsexperten des Bundesamtes für Statistik rechnen vor, dass in acht Jahren über 62'000 Schüler mehr in die obligatorische Schule gehen als heute. 930'000 Schülerinnen und Schüler sind es im Jahr 2021, der höchste Wert seit Einführung der Statistik 1980."

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