Wie Conti und Zwick helfen, Familien das Geld aus der Tasche zu ziehen


Gestern im Regionaljournal über Mittag ging die Meldung fast unter: Das Kinderspital UKBB führt eine kostenpflichtige Helpline ein («medizinisches Beratungstelefon»).

Kostenpunkt: 3.23 CHF/Minute. Der Tarif richte sich nach den ambulanten Beratungstarifen von Arztpraxen. Immerhin gebe bis zu 60 entsprechende Anrufe am Tag, und die dauerten erfahrungsgemäss bis zu 5 Minuten. Das ergibt übers Jahr einen Betrag von rund 350'000 Franken. Das sind etwa zwei Oberarztstellen. Vor allem aber ist das viel Geld, das aus der Tasche von Familien gezogen wird, denen laut CVP-Parteiprogramm «namentlich die Explosion der Krankenkassenprämien» schon genug zu schaffen macht.

Nun ist gegen kostenpflichtige medizinische Beratungen a priori nichts einzuwenden - aber nur so lange, wie sichergestellt ist, dass die entsprechenden Kosten danach von der obligatorischen Krankenkasse übernommen werden. Und hier harzt es bei dieser Lösung: Wer vom Festnetz oder Abo-Natel aus anruft, kann ja notfalls noch versuchen, was passiert, wenn er die Telefonrechnung der Krankenkasse schickt. Wer aber von einem Prepay-Natel aus anruft, hat von vornherein keine Chance auf Rückerstattung.

Vollends fragwürdig wird die Geschichte, falls das Kind unmittelbar nach dem Anruf hospitalisiert wird oder zuvor stationär hospitalisiert war und der Anruf im Zusammenhang mit der behandelten Erkrankung steht. Dann müsste die Beratung mit der Fallkostenpauschale ohnehin abgegolten sein. Ohne Zusatzkosten. Man nennt das Tarifschutz. Von einer Rückerstattung durch das UKBB lese ich aber nichts in der Medienmitteilung.

Das Krankenversicherungsgesetz sieht für Kinder keine Franchise vor. Und auch keine Zusatzbeträge für Eltern kranker Kinder. Damit Kinder auch sicher behandelt werden. Und jetzt das.

Oberstes Gremium des UKBB ist der Spitalrat. Und dort sitzen mit den Regierungsräten Carlo Conti und Peter Zwick zwei Politiker der CVP, die in ihrem Parteiprogramm die Entlastung von Familien fordert. Hier wird das Gegenteil vorgeführt: Es ist nichts Anderes, als Eltern kranker Kinder an der obligatorischen Krankenkassendeckung vorbei Geld aus der Tasche zu ziehen. G'schämig.

patpatpat und andere Familienväter: Übernehmen Sie!

Andere Kinderspitäler in der Schweiz haben solche kostenpflichtige Helplines ebenfalls eingeführt, teilweise schon vor längerer Zeit. Aber Hand aufs Herz: Macht es das besser?


UKBB: Ausnützung einer Notlage,

im übertragenen Sinne. Oder Nötigung! Jedenfalls nahe an der Strafbarkeit und ganz sicher unter jeder Kanone! Statt die hilfesuchenden Eltern abzuzocken, hätten die Herren Spitalräte ja z.B. die Kooperation mit der MNZ suchen können, wenn's dem Laden wirklich um die Sache gegangen wäre! Aber das hätte dem UKBB keine Zusatzeinnahmen gebracht.

Boykottiert die UKBB Abzock-Line!
Die sympathische und kostenlose Nummer für medizinische Notfallauskünfte ist:

061 261 15 15

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Ich kann mich ...

... ja auch täuschen, aber ich erkenne auf Anhieb keinen Weg, wie die gewählte Lösung nicht gegen Tarifschutz- oder Ausstandsregel verstossen würde.

Falls ich mich täusche, nehme ich natürlich alles zurück und behaupte das Gegenteil.

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Anfrage beim UKBB deponiert:

"- Inwiefern differiert Ihr Angebot von jenem der MNZ? Konkret: Warum soll jemand Sie anrufen für 3.23 pro Minute, wenn er dieselbe Dienstleistung kostenlos erhalten kann?
Zudem:
- Wer erbringt Ihre Dienstleistung ganz konkret? Wo landet jemand der 0900 712 712 wählt? Bei Ihnen im UKBB? Wenn nicht: Wo?"

Mal schauen, was wann als Antwort kommt.

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Antwort UKBB

1. In Basel gibt es ja schon seit langem die Medizinische Notrufzentrale, die dasselbe Angebot kostenlos erbringt. Inwiefern differiert Ihr Angebot von jenem der MNZ?

Im Gegensatz zur MNZ (von Kantonen und von Gemeinden unterstützt) konzentriert sich die UKBB-Helpline ausschliesslich auf pädiatrische Fragestellungen. Sie richtet sich rund um die Uhr an Eltern, die eine medizinische Auskunft oder Beratung zu ihrem Kind benötigen, aber ihren Kinder- oder Hausarzt nicht erreichen können oder keinen solchen haben (kommt immer häufiger vor).
Die Helpline ist vollumfänglich in die Notfallstation des UKBB integriert. Erfahrene Pflegefachpersonen erteilen Ratschläge zum weiteren Vorgehen, wenn das Kind krank ist und geben Hinweise dazu, wohin sich der Anrufer wenden soll (z.B. Kinderarzt, Notfall, Poliklinik etc.). Am Telefon findet eine strukturierte Abklärung statt, um abzuschätzen, ob Eltern auf die Notfallstationen kommen sollen oder nicht. Im UKBB ist bei Bedarf – z.B. wenn es um Empfehlungen zur Einnahme von Medikamenten geht – immer ein Arzt vor Ort anwesend. Ein Beratungsgespräch dauert erfahrungsgemäss rund 4 Minuten.

2. Konkret: Warum soll jemand Sie anrufen für 3.23 pro Minute, wenn er dieselbe Dienstleistung kostenlos erhalten kann?

Wir motivieren Eltern dazu, in erster Linie ihren Kinderarzt zu kontaktieren. Dort wird bei dessen Abwesenheit in der Regel auf einem Band die Angabe zur Kontaktaufnahme mit der MNZ kommuniziert. Die UKBB-Helpline steht als Alternative zur Verfügung, sieht sich aber nicht als Konkurrenz und ganz selbstverständlich können Eltern medizinische Anfragen jederzeit auch an die MNZ richten. Aktuell ist es aber so, dass durchschnittlich 60 Anrufer pro Tag direkt die UKBB-Notfallstation für medizinische Auskünfte anrufen und nicht über den Kinderarzt oder die MNZ gehen.

3. Wer erbringt Ihre Dienstleistung ganz konkret? Wo landet jemand der 0900 712 712 wählt? Bei Ihnen im UKBB? Wenn nicht: Wo?

Die Helpline wird von erfahrenen, in der Triage speziell geschulten Pflegefachfrauen der Notfallstation des UKBB bedient. Die Gespräche werden zu Ausbildungs- und Qualitätszwecken aufgezeichnet. Diese Triagefachfrau ist im UKBB-Notfallbetrieb integriert und kann die Gespräche jederzeit an die Notfall-Kaderärzte weitergeben.

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Und jetzt ...

... die Interpretation.

Die 60 täglichen Anrufe innerhalb der heutigen Struktur sind dem UKBB lästig. Das ist verständlich, da belastend und nicht abgegolten. Deshalb verrechnet das UKBB künftig diese Anrufe via 0900-Nummer direkt den Anrufenden. Zum Tarmed-Tarif. Und freut sich, so etwas wie ein Verursacherprinzip gefunden zu haben. Nur gibt es da Schönheitsfehler.

Schönheitsfehler 1: Es ist nicht klar, ob das UKBB dafür sorgt, dass die Anrufenden die Kosten dieses «medizinischen Beratungstelefons» mit «professionellem medizinischen Rat von Fachpersonen» (Zitat Medienmitteilung UKBB) in jedem Fall der Krankenkasse weiterbelasten können. Ich zweifle eher daran: Eine Bestätigung der via 0900-Nummer der Telefonrechnung/der Prepay-Karte belasteten Kosten wäre an sich eine Nachfakturierung, die mutmasslich teurer wäre als die erbrachte Dienstleistung, deren Kosten das UKBB auf etwa 16 Franken/Anruf schätzt. Und in den angenommenen knapp 5 Minuten Gesprächsdauer wird die zusätzliche Aufnahme von Name und Adresse kaum Platz finden.
Hingegen könnte das UKBB die Anrufenden darauf hinweisen, dass die Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden (können) - und zwar, bevor der Ticker zu laufen beginnt. Dann wiederum bliebe unklar, ob das UKBB ein entsprechendes Ausstandsgesuch gestellt hat. Aus dem Umstand, dass es sein 0900-Angebot faktisch nach Tarmed belastet, ist das eher nicht der Fall. Etwas bizarr wäre die Situation ohnehin, wenn das UKBB einen Teil seiner Dienstleistungen nach Krankenversicherungsgesetz erbringen würde und einen anderen Teil nicht.

Schönheitsfehler 2: Der simple Verweis auf die Kinder- oder Hausärztin ist, wenn ich das richtig verstehe, künftig ebenfalls bereits kostenpflichtig.

Schönheitsfehler 3: Bei kostenpflichtigem Anruf nach stationärer Behandlung in gleicher Angelegenheit würde das UKBB allem Anschein nach den Tarifschutz verletzen.

Findinitguet.

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vielleicht einfach zuerst mal genauer recherchieren und gucken, welcher Art diese "Notrufe" oft sind, z.B. Managerkindchen, das trotz heftigem Fieber ins Skiweekend geschleppt wurde und auf der Heimfahrt wird überlegt, wie man den Kinderarzt sparen und Sofortwunderhilfe holen könnte... wieso macht man in diesem oft durchaus differenzierten Blog immer so hurtig auf Armemenschenbedürftigkeitskitsch?

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Lies ...

... das da doch einmal aufmerksam durch.

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Nachtrag

Das Regionaljournal hat das Thema eben nochmals aufgegriffen (in Bälde hier nachzuhören).

Das ist zwar löblich. Den Pulitzerpreis wird der Journalist aber leider trotzdem nicht erhalten. Einerseits hat er sich etwas gar billig von der Medienbeauftragten abspeisen lassen. Ihr Quote («Wir werden nicht durch eine öffentliche Institution oder durch den Kanton unterstützt») entspricht offenkundig nicht der Wahrheit:
«Zur Sicherung der Finanzierung sollen die Beiträge an die ambulante Unterdeckung im UKBB erstens (...) die volle Höhe der Finanzierungslücke ausgleichen und zweitens keiner Degression unterliegen.» Das ist eine Defizitübernahme durch den Kanton im ambulanten Bereich, und um den geht es hier. Nachzulesen hier.

Adererseits hat der Journalist die fragliche Gesetzeskonformität der 0900er-Lösung aussen vor gelassen. Darum deutsch und deutlich: Bis zum Nachweis des Gegenteils halte ich die 0900er-Lösung in Teilen oder vollständig für gesetzeswidrig, weil sie bei vor- oder nachgelagerter stationärer Behandlung im UKBB gegen den gesetzlichen Tarifschutz (Fallkostenpauschale) und bei Anruf via Prepay-Natel gegen die Ausstandsregel verstösst.

Disclaimer: Ich habe nichts gegen kostenpflichtige medizinische Beratungen. Aber bitte im Rahmen des Gesetzes.

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Das is ein Dicker Hund!

Und die Antworten der UKBB nicht nur dreist sondern auch Arschkalt. Ich Fasse mal die Antwort an PPP sinngemäss zusammen: Wir versuchen einfach Eltern, die entweder ihren Hausharzt nicht erreichen oder die sich im Gesundheitssystem nicht auskennen und solche Bauernfängereien mangels Bildung nicht durchschauen, denen aber aus Angst um ihre Kleinen der Arsch auf Grundeis geht, eine Drittelmillion Franken im Jahr aus der Tasche zu ziehen. Übrigens letztlich auf Kosten der Steuerzahler und Versicherten. Die zahlen ja wohl die Löhne für die Mediziner an der «Helpline». Sauböcke! Und ein weiteres mal chapeau an gnom und ppp.

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отдел агитации и пропаганды

Wenn das nicht weltbewegende Skandale sind, die Ihr hier aufdeckt ....

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Nachtrag II

Das Regi hat jetzt eine ziemlich runde Sache gemacht. Nachzuhören hier.

Daraus geht auch hervor: Das mit dem Tarmed-Hinweis durch das UKBB ist Kabis. Denn im Tarmed gibt es nur telefonische Konsultationen durch den Facharzt. Und ein solcher sitzt nicht dort. Die «medizinische Beratung», die Eltern im obligatorisch versicherten Krankheitsfall des Kindes gutgläubig beanspruchen, rückt damit irgendwie in die Nähe von Mike Shiva: Den übernimmt die Krankenkasse auch nicht.

Nur: Warum bekommt dann das UKBB genau für solche unabgegoltene Leistungen 4,7 Millionen Franken vom Kanton pro Jahr, behauptet via Medienstelle aber das Gegenteil? Oder anders gefragt: Wenn das nicht in den 4,7 Millionen ist, wo haben die das bisher versteckt?

Schliesslich bleibt auch das Problem mit dem Tarifschutz bestehen.

Mir persönlich kann das egal sein, die Jungmannschaft ist bei einem TelMed-Modell versichert. Aber störend finde ich das schon.

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