Abt. Mikropolitik - heute: Kasernenateliers


Bischoff und Kessler schmeissen die folgenden, renommierten Künstlerinnen und Künstler der Ateliergenossenschaft Kaserne aus ihren Ateliers auf die Strasse:

Carlo Aloe, Peter Baer, Peter Brubacher, Corsin Fontana, Lina Furlenmeier, Bruno Gasser, René Louis Gautschi, Rolf Gautschi, Karl Glatt, Bettina Grossenbacher, Serge Hasenböhler, Urs Hauser, Regula Huegli, Nicolas Jaques, Markus Kaufmann, Lenz Klotz, Noori Lee, Lehmann-Christen, Werner Merkofer, Barbara M. Meyer, Werner v. Mutzenbecher, Pierre Raetz, Marius Rappo, Hans Rémond, Werner Ritter, Agat Schaltenbrand, René Schlittler, Bruno Seitz, Alex Silber, Aldo Solari, Christina Spoerri, Paul Stebler, Beatrice Steudler, Eduard Stöcklin, Gilbert Uebersax, Jean Villard
Das verkündeten die zwei an einer Medienkonferenz (Christoph Meury applaudiert).

Die versammelte Journaille berichtet brav. Einzig das Regionaljournal und (NACHTRAG auf Hinweis) TeleBasel (hier ab 08:08) befragten jemanden von den Betroffenen dazu. Die anderen (TaWo, BaZ, bz [SDA]) halten sich nicht an diese journalistische Grundregel und plappern nur mehr oder weniger kritik- und gedankenlos nach, was die beiden Funktionäre ihnen in den Notizblock diktierten.

Dabei springt einem der Konflikt, der darzustellen wär, sozusagen ins Gesicht, wenn der Kanton eine Massenkündigung bekannt gibt und niemand der Betroffenen mit am Tisch sitzt.

Bisher bringen die Ateliers dem Staat knapp 50'000.- pro Jahr. Künftig will Bischof den Kunstschaffenden gut 200'000.- (ohne Nebenkosten) aus der Tasche ziehen.

Die Selbstverwaltung der Künstler_innen, eine fortschrittliche Errungenschaft, wird ebenfalls exekutiert. Ein externes Vergabegremium soll künftig die Räume für maximal 5 Jahre an Bewerber_innen zuteilen.

So nicht! Die Künstler_innen bleiben!

Die Ateliers in der Kasernenkirche, die darin arbeitenden Künstler_innen und ihr Milieu sind Teil des Kulturlebens von Basel. Vielleicht ein sperriger. Vielleicht ein schwer zugänglicher. Vielleicht ein widerspenstiger. So what?

Aber vermutlich gerade darum betreiben Bischof und Kessler ihr mutwilliges Zerstörungswerk. Sie vernichten diese Situation. Sie zerbrechen in langen Jahren gewachsene Strukturen und Beziehungen. Sie zerschlagen ein künstlerisches Produktionsumfeld.

Ökonomismus und kapitalistische Marktlogik sind ihre Argumente.

Natürlich ist die Kasernenkirche auch ein seit 50 Jahren bestehendes Künstler_innen-Biotop. Und gerade drum gehört es geschützt und gefördert, nicht plattgewalzt. Überall sonst auf der Welt würde so ein Ort wertgeschätzt. In Basel wird er von ein paar nassforschen, neoliberal imprägnierten Kulturverwaltern niedergebrannt.

Demnächst zieht sich die Pharmaindustrie grossräumig aus dem Klybeckgebiet zurück. Zehntausende von Quadratmentern in Fabrikationshallen etc. werden in absehbarer Zeit auf eine neue Verwendung warten. Es kann sehr gut sein, dass in wenigen Jahren in Basel Atelierraum "en masse" zu Dumpingpreisen vorhanden sein wird. Jetzt noch rasch die Mutter aller Atelierhäuser in Basel zu zerschlagen, zeugt vor diesem Hintergrund von Uninformiertheit, eindimensionalem, kurzatmigem Denken.

Mit der Massenkündigung im gleichen Atemzug von "Chancengleichheit" und "Fördermassnahme" zu sprechen, wie es Bischof und Kessler tun, ist nur zynisch!

Wer hat ihnen eigentlich den Auftrag erteilt? Was legitimiert Bischof und Kessler zu ihrem Kahlschlag? Existiert ein Beschluss von Regierung oder Parlament, der sie losschickt, die - nennen wir sie ruhig so! - Künstlerkolonie Ateliergenossenschaft zu zerstören? Nein, gibt es nicht!

Niemand hat bei ihnen eine neue "Atelierpolitik" (Wortwahl Bischof) bestellt!

Wenn's in Basel zu wenig günstige Ateliers gibt, dann ist die ungefragt abgelieferte Antwort der Verwaltung offenbar:

  • 3/4 der in öffentlichen Liegenschaften existierenden günstigen Ateliers um einen Faktor 4 verteuern
  • die seit vielen Jahren dort arbeitenden Künstler_innen auf die Strasse stellen

Was Bischof für die passende Antwort hält, ist die um 180 Grad verkehrte! Vom Kopf auf die Füsse gestellt muss sie lauten:

  • Die Quadratmeterpreise in der Klingentalkirche bleiben auf dem aktuellen Stand!
  • Niemand dort erhält die Kündigung!
  • Die Selbstverwaltung der Ateliergenossenschaft wird respektiert und beibehalten!
  • Die 2% Zinsen aus dem 85 Millionen Darlehen des Kantons an die MCH Messe Schweiz (1,7 Mio pro Jahr) werden künftig jährlich zweckgebunden in einen Kunstraumfonds einbezahlt. Daraus beschafft Immobilien Basel-Stadt (IBS) Räume durch Zukauf oder Zumiete, die an Künstler_innen weitergegeben werden. Als Richtgrösse für den von den Mieter_innen zu bezahlenden Quadratmeterpreis gilt jener der Ateliergenossenschaft in der Klingentalkirche!
  • Die Räume des Kunstraumfonds müssen von den Künstler_innen selbstverwaltet organisiert werden!
  • Privilegien für alle! Das Geld ist vorhanden! Es muss nur korrekt verteilt werden!

Warum Geld von der MCH umleiten? Zum Beispiel darum: Weil derselbe Bischof, der jetzt 33 Künstler_innen auf die Strasse stellt, um künftig mehr Geld aus den handverlesenen Nachmieter_innen zu pressen, erst unlängst das Gesuch der über 30 Millionen Franken Überschuss produzierenden MCH Messe Schweiz auf Geld aus dem Lotteriefonds unterstütze, wonach die Regierung - sich auf Bischofs positive Beurteilung berufend - verordnungswidrig, der MCH-Tochter Art Basel 100'000.- nachwarf.

Und z.B. darum: Die Messe Schweiz (zu 33% im Eigentum von Basel-Stadt, zu 59% in der Hand von Privaten, siehe JB'13, S. 48) spart jeden Monat (!) 100'000.- Zinsen, weil ihr Basel-Stadt und Baselland zusammen ein 60 Millionen Darlehen ZINSLOS gewähren, schreibt MCH in ihrem Finanzbericht 2012 (application/pdf, 921 KB) auf Seite 92. Wer einem privaten, u.a. mit einer Kunstmesse Millionengewinne erzielenden, kommerziellen Betrieb monatlich 50'000.- schenkt (Anteil BS an zinslosem Darlehen), hat jede Legitimation für Aktionen wie die von Bischof und Kessler angekündigte verloren.

Am 15. Mai 2014, 20.00 bis 21.00 Uhr im Unternehmen Mitte, Salon im 1. OG, Gerbergasse 30, laden Bischof & Kessler zu einer "Informationsveranstaltung und Anhörung" (siehe Fussnote hier). Man wünscht ihnen ein zahlreiches und kritisches Publikum an dem Anlass...


OT

Sorry für Fehlplatzierung, aber Markus Somm wird nächsten Sonntag bei Giacobbo/Müller sein, das wird bestimmt lustig.

... Link

Da gibt es Für und Wider. Was mich am meisten stört ist, dass man den Zugang zu den Ateliers auch anderen ermöglich will - und dann geht man hin und vervielfacht die Mietpreise? Hallo? Chancengleichheit heisst demnach, dass alle die gleich schlechten Bedingungen vorfinden sollen.
Ich frage mich folgendes (ohne in der Lage zu sein, das zu beantworten): Wie weit muss ein Besitzer von Immobilien sich mit seiner Mietzinsgestaltung überhaupt dem Markt anpassen? Zumal wenn dazwischen keine Zecke hockt, die sich am Geldfluss labt. Es gibt da doch zwei Sichtweisen: In der einen hat der Kanton an den Ateliers 50'000 Franken verdient, in der anderen hat er 150'000 Franken verloren. Was stimmt?

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"Wie weit

muss ein Besitzer von Immobilien sich mit seiner Mietzinsgestaltung überhaupt dem Markt anpassen?"

Kenne das Mietrecht nicht auswendig, aber ich vermute mal, nach unten bist Du als Eigentümer (z.B. Kanton) frei, wie billig Du Deine Ateliers vermieten willst. Nach oben gibt's vermutlich irgendwo eine Grenze, ab der Dir Wucher vorgeworfen werden könnte. Das Mietrecht begrenzt andererseits eigentlich die Sprünge nach oben, über die "Ortsüblichkeit" hinaus, wenn ich mich nicht täusche, was aber gut sein kann.

Zur Sichtweise: Der Kanton sind wir, nicht Bischoff oder Kessler! Wir verlieren gar nichts, wenn die Künstler_innen zu günstigen Konditionen arbeiten können. Sie gewinnen Freiheit, wenn sie weniger Zeit und Energie in die Beschaffung des Geldes für die Miete stecken müssen. Wir gewinnen ihre Kunst. Wir verlieren gar nichts.

Bischof, der Kulturfunktionär, andererseits, will offensichtlich Geld statt Kunst.

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Gemach, Herr patpatpat

So bedauerlich es sein mag, dass eine schöne Tradition allmählich zerschlagen wird, gibt es zu Deinen Ausführungen doch das eine oder andere einzuwenden:

Erstens werden die KünstlerInnen nicht tel quel auf die Strasse gestellt. Der Kanton übernimmt alle bisherigen Untermietverträge mit der Ateliergenossenschaft und lässt sie zu den bisherigen Konditionen (also für 19.50 Franken pro Quadratmeter) bis mindestens Ende 2017 weiterlaufen (wahrscheinlich wird es später).

Zweitens werden die KünstlerInnen auch dann nicht automatisch auf die Strasse gestellt, weil sich die, die wollen (und es sich leisten können) natürlich um einen neuen Fünfjahres-vertrag bewerben können (der übrigens um nochmals fünf Jahre verlängert werden kann).

Drittens: Eine Vervierfachung der Miete klingt (und ist sicherlich im einen oder anderen Fall) höchst brutal. Andrerseits ist, ausgehend vom neuen Quadratmeterpreis von 80 Franken, eine Monatsmiete von 335 Franken für ein 50-Quadratmeter-Atelier an dieser privilegierten Lage nicht unbedingt Wucher. Mit einem auf 30'000 Franken dotierten Kunstpreis liessen sich siebeneinhalb Jahre Miete bezahlen.

Viertens: Nicht das Mietrecht, aber die Richtlinien des Finanzvermögens verbieten es dem Kanton, einzelnen Mieterinnen und Mieter durch reduzierte Mietzinse zu subventionieren. Jetzt könnte man natürlich sagen, dass auch alle anderen Mieten auf dem Kasernenareal auf einen Quadratmeterpreis von 19.50 Franken gesenkt werden ...

Fünftens: Die "Mutter aller Atelierhäuser" bleibt Atelierhaus. Das Atelierhaus wird also nicht zerschlagen, sondern strukturell umgekrempelt.

Aber natürlich ist es schade, dass das eigentlich bewährte Selbstverwaltungsmodell ohne akute Not aufgelöst wird. Der Kanton hätte sich ja auch auf eine Mieterhöhung und einen verbindlichen Rahmenvertrag (zum Beispiel Rotationsgebot für die Hälfte der Ateliers oder so) für die Genossenschaft, in der er übrigens Einsitz hatte, beschränken können.

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Du

spielst an auf den Passus in Abschnitt 1.3 in der von Eva Herzog, ehemals Kasernen-Antestellte, unterzeichneten Immobilienstrategie von IBS von 2007:

Die Bewirtschaftung der Immobilien ist nicht Bestandteil der kantonalen Sozial- und Kulturpolitik und darf zu keiner direkten oder indirekten Subventionierung von Unternehmen, Institutionen oder Individuen führen.
Der Ansatz ist natürlich völlig idiotisch! Und führt zu Absurditäten, wie Du sie offenbar bevorzugst. Nämlich dass Kunst- und Kultuschaffende Förder- und Preisgelder des Kantons gleich wieder dem Kanton als Miete abgeben müssen. Dafür gibt es Beispiele. Frag Bischoff. Mir fällt spontan der Schildbürgerstreich mit der Wucher-Miete für das Sommercasino ein: Die kantonalen IBS setzen den Zins auf astronomische 17'680.- pro Monat, den sich die "Jugendarbeit Basel" nur leisten kann, wenn ihr die kantonalen Subventionen massiv erhöht werden.

Ebenso kafkaesk ist es, wenn die Sozialhilfe hohe Mieten subentionieren muss in kantonalen Liegenschaften.

Aber vermutlich gibt es trotzdem Erklärungsmuster, die sowas sinnvoll erscheinen lassen.

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Das ist übrigens auch ...

... bei der CMS so, wie wir als einstige, von der CMS unterstütze Mieter der CMS-Dreispitzhalle erfahren mussten.

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Von dem Vorgehen

haben, soweit ich sehe, nur die Buchhalter etwas. Bei den unterstützdenden Institutionen steigt der Umsatz (man kann vermeintliches "Wachstum" ausweisen), aber es fliesst insgesamt netto weniger Geld ab, weil was links rausgeht, rechts - zumindest teilweise - wieder reinkommt.

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