Abt. Mikropolitik - heute: VWL Nachhilfestunde


Der anonyme facebook-Seiten-Verwalter von "näher wohnen" erteilt mir Nachhilfestunden in VWL, nachdem ich mir erlaubt hatte, ihm zu widersprechen darin, dass mit den 25% gemeinnützigen Wohnbauträgern in den 11 Wohntürmen

11 Wohntürme, Position gemäss Testplanung BVD

mehr oder weniger automatisch "junge Familien" dort "ein ideales und attraktives Zuhause" fänden.

Mein Gegenargument: Die "jungen Familien" kommen dort nicht unter, weil die Appartements in den Wohntürmen leider zu teuer sein werden für ihr Budget, denn Wohnungen in Neubauten von Genossenschaften, auch und gerade in kostspieligen Hochhäusern, sind in den ersten Jahrzehnten - wenn überhaupt - nur unwesentlich günstiger als andere. Darauf konterte er mir:

Basiskenntnisse aus der VWL zeigen, dass wenn ein Angebot erhöht wird, generell davon ausgegangen werden kann, dass die Preise sinken. Mehr Wohnungen entlasten den gesättigten Wohnungsmarkt und ermöglichen wieder günstigere Mieten.
Das meint halt der einfach gestrickte VWL-Student. Die Praxis sieht anders aus.

Legen wir mal Einwohnerzahl, Wohnungsbestand und Mietpreisindex in Basel-Stadt nebeneinander. Hätte der VWL-Student recht, müsste bei steigender Wohnungszahl der Mietpreisindex sinken. Bei erst noch sinkender Einwohnerzahl, ergo sinkender Nachfrage, müsste er in den Keller rasseln. Schauen wir die Zahlen an, die das Statistische Amt bereitstellt:

Die Zahlen strafen den einfachen VWL-Studenten Lügen. Obwohl von 1971 bis 2008 die Einwohnerzahl in Basel-Stadt um -26% einbrach und gleichzeitig der Wohnungsbestand um +14% zunahm, explodierte der Mietpreisindex um den Faktor 3,5!

Die Realität ist, insbesondere im Immobilienbereich, offenbar komplizierter gestrickt, als es sich der VWL-Student im Solde der Betonfraktion vorstellen kann!

Das Statistische Jahrbuch sagt über den Basler Mietpreisindex:

Der Basler Mietpreisindex beruht auf einer fünfprozentigen, geschichteten Zufallsstichprobe. Berücksichtigt werden die Nettomietpreise von Miet- und Genossenschaftswohnungen mit 1 bis 6 Zimmern im Kanton Basel-Stadt. Erhoben und berechnet wird der Mietpreisindex quartalsweise.
Genossenschaftswohnungen sind, nota bene, mit drin!

P.S. "Aber die Teuerung?!?!?" - "Die betrug von 1971 bis 2007 174%, also wäre der Mietpreisindex von 151 in der Zeit, würde er nur der Teuerung folgen, auf 414 Punkte gestiegen. De facto stieg er auf 560! Auch unter Berücksichtigung der Teuerung geht das Argument des VWL-Studenten nicht auf!"

P.P.S. Das alles spricht natürlich nicht gegen Wohngenossenschaften, im Gegenteil. Eigentlich müsste die Forderung der SP sogar sein, dass 100% der Wohntürme, die tatsächlich auf heute "uns", also dem Kanton, gehörenden Boden zu stehen kommen sollen, als Genossenschaften zu organisieren seien. Immerhin ist das die Eigentumsform, bei der die Wohnungen - mehr oder weniger - denen gehören, die drin wohnen.

Fordert die SP aber nicht. Warum wohl? Warum und für welche Gegenleistung haben die Sozialdemokraten sich 75% der potenziellen Wohnfläche in den Türmen abluchsen lassen, zugunsten von irgendwelchen rein renditeorientierten Immo- und Investmentfonds? Und warum betreiben sie deren Spiel?


A propos VWL ...

Es braucht schon eine gehörige Ignoranz (Demagogie wollen wir ja nicht unterstellen), um VWL auf diesem Niveau zu betreiben.

Die Aussage, dass eine Vergrösserung des Angebots die Preise sinken lässt, stimmt selbstverständlich auch im Wohnungsmarkt. Aber auch in diesem Markt stimmt diese Aussage nur unter den allgemeinen Voraussetzungen, dass (a) die anderen relevanten Parameter unverändert bleiben und (b) der Markt liquid ist (d.h. dass genügend "Bewegung im Markt" ist, um eine funktionierende Preisanpassung zu ermöglichen). Weitere Voraussetzungen wären auch noch zu erwähnen.

Voraussetzung (a) war in der Zeitspanne, die in der Grafik abgebildet ist (1971 - 2013) ganz sicher nicht erfüllt. Ich empfehle einen Blick auf die Website des Bundesamtes für Wohnungswesen, auf der die für den Wohnungsmarkt relevanten Angebots- und Nachfrageindikatoren wunderbar dargestellt sind (http://www.bwo.admin.ch/dokumentation/00106/00111). Als Nachfrageindikatoren wären insbesondere die Reallohnentwicklung und die demographische Entwicklung zu nennen. Als Angebotsindikatoren sind etwa die Baupreisentwicklung und die Hypothekarzinsentwicklung zu nennen. Ferner ist auch die Leerstandquote ein wichtiger Indikator, weil davon die mögliche "Bewegung im Markt" abhängt, die letztlich die Preisentwicklung erst bewirkt. Diese Indikatoren haben sich seit 1971 stark entwickelt und damit die Preisentwicklung massgeblich beeinflusst.
Zu meinen, dass die simple Gegenüberstellung von Einwohnerzahl und Wohnungsbestand ein relevantes Erklärungsmodell für die Preisentwicklung (mit Beweis- oder auch nur Indizkraft für irgendeine These) liefern könne, ist schon ziemlich primitiv (wie gesagt, Demagogie wollen wir ja nicht unterstellen).

Eine besondere Bemerkung ist noch angebracht zu der alles übertreffenden These, die sinkende Einwohnerzahl impliziere eine sinkende Nachfrage nach Wohnungen. Könnte es vielleicht möglich sein, dass die Einwohnerzahl ganz einfach deshalb sinkt, weil die Leute keine Wohnung im Kanton BS zu akzeptablen Konditionen finden? Die Leerstandquote beträgt zurzeit 0.2%, und es darf als hochgradig wahrscheinlich gelten, dass der weitaus überwiegende Teil der wenigen freien Wohnungen sich aus vergleichsweise teuren oder aus anderen Gründen wenig attraktiven Wohnungen zusammensetzt. Die Leerstandquote bei den durchschnittlichen Wohnungen ist ganz sicher noch viel tiefer. Es ist also nicht die sinkende Nachfrage, welche zu einer Reduktion der Einwohnerzahl führt, sondern das nicht vorhandene Angebot. Zu diesem Effekt trägt bei, dass der Kanton BS kein isolierter Wohnungsmarkt ist. Sinnvolle Aussagen über das Funktionieren der Marktkräfte müssten die ganze Region (zumindest den Schweizer Teil derselben) mit berücksichtigen.

So viel Nachhilfeunterricht im Wohnungsmarkt für heute. Es gäbe jedoch noch viel mehr auszuführen.

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Verstehe ich Dich jetzt richtig?

Lieber gar keine Genossenschaftswohnungen als "nur" 25 Prozent der Neubauwohnungen in Stadrand Ost? Das wären Genossenschaftswohnungen für immerhin 500 Menschen (nachdem man ja ein Genossenschaftswohnungsprojekt auf dem Landhof bereits verhindert hat und der Widerstand gegen ein weiteres an der Wettsteinallee sehr gross ist – soviel übrigens zur propagierten Verdichtung in Zentrumsnähe).

Aber natürlich hätte auch ich eine Quote von 100 Prozent bevorzugt. Aber mal ganz ehrlich: Wärst Du dann etwa tatsächlich nicht mit Hellebarde und Morgenstern gegen die Stadtrandentwicklungspläne ins Feld gezogen?

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tss. Nur weil patpatpat auf die

aufgeblasenen und zurechtgebogenen Statistiken hinweist, mit denen die Neubauten begründet werden, heisst das ja noch lange nicht, dass er wirklich dagegen ist. Vielmehr spricht er die Stadtentwicklung als solches an, und hinterfragt schön klingende Argumente.
Ich weiss, viele lassen sich gut gepolstert gerne schön gemütlich von Politikern verschaukeln, aber dafür ist die Landung später umso härter.
Ich sag klar: Go patpatpat, go!

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