Abt. Eins auf die Finger - heute: 2 Grad


AKW-Betreiberin Axpo ist "Kooperationspartnerin" der Ausstellung "2 Grad - Das Wetter, der Mensch und sein Klima". Das gibt Axpo offenbar das Recht, am Inhalt der Ausstellung rumzukritteln, wenn sie etwas davon für "fachlich nicht haltbar" und "zum Teil falsch" hält. Wie die BaZ berichtet (Chapeau!), urteilt die Axpo so über diese Aussage:

Uran ist eine begrenzte Ressource. Bei einem massiven Umstieg auf Atomkraft wären die Uranvorräte nach nur 18 Jahren verbraucht. Der radioaktive Abfall strahlt noch sehr lange und ein schwerer Unfall kann nie ausgeschlossen werden.
Darum hat die Axpo bei "2 Grad" interveniert. Und prompt hat "2 Grad" die entsprechende Passage in einem Video in der Ausstellung gelöscht. "2 Grad" hat nicht etwa der Axpo die Gelegenheit zur Gegendarstellung gegeben, sondern die atomenergiekritische Passage entfernt. Wie steht es um die Aussage der Ausstellung? Ist Uran keine begrenzte Ressource? Vor bald 2 Jahren argumentierte Horst-Michael Prasser, an der ETHZ "Professor für Kernenergiesysteme" ausführlich für seine Disziplin in einer Diskussion auf dem Blog "sciencesofa". Er kommt dort (in Kommentar Nr. 11) auf 80 bis "hunderttausende von Jahren", die die Uranvorräte noch reichen. Je nach eingesetzter Reaktortechnologie. Die hohen Zahlen gelten für mit Uran und Plutonium betriebene Brutreaktoren. Nach Prassers Kommentar auf dem Blog spielt "die Tatsache, dass Uran nicht erneuerbar ist, für die heutige Debatte" keine Rolle. Aber nicht mal Prasser sagt, Uran sei keine begrenzte Ressource. Die Axpo hingegen stört sich so sehr daran, dass sie bei der Ausstellung interveniert. Die Zahl von nur 18 Jahren, die die Uranvorräte noch reichten, mag allerdings tatsächlich einer genauen Prüfung kaum standhalten. Aber die hätte sich wohl korrigieren lassen. Gemäss der Internationalen Energie Agentur IEA liefern AKWs derzeit knapp 6% des weltweiten Primärenergiebedarfs (IEA Statistik 2010, .pdf S. 6). An der globalen Stromproduktion haben AKWs aktuell einen Anteil von knapp 17% (gleiches Dokument, Seiten 27 + 25). Hier rechnet ab Position 2:30 der MIT-Chemiker Dan Nocera vor, was passieren müsste, damit die AKWs in dieser Welt (IAEA Datenbank aller Anlagen) in 40 Jahren mit 50% einen substanziellen Beitrag zur CO2-neutralen Weltenergieversorgung liefern könnten. Er kommt auf 200 neue AKWs, die pro Jahr neu gebaut werden müssten. Ab jetzt. Für immer. Denn ein AKW läuft etwa 50 Jahre.

Dann wären da noch die Aussagen, radioaktiver Abfall strahle sehr lange und ein schwerer Unfall könne nie ausgeschlossen werden. Die sind in sich so banal und zugleich unumstösslich, dass schwer nachvollziehbar ist, warum "2 Grad" sie auf Betreiben der Axpo eliminiert hat. Alles in allem: Es bleibt ein unangenehmer Nachgeschmack bei der ganzen Sache. Erfreulich hingegen ist, dass die BaZ den Vorgang publik macht! Disclaimer: Ich hab die Ausstellung noch nicht gesehen.

P.S. Dass der Axpo ihre Zahlen ("Neben den weltweit 444 Kern- respektive Atomkraftwerken befänden sich derzeit 40 Einheiten im Bau, für 80 weitere lägen konkrete Projekte vor.") zumindest in 2 Punkten nicht stimmen, übersehen wir geflissentlich und werfen ihr nicht vor, sie seien "fachlich nicht haltbar" und "zum Teil falsch". Sondern weisen sie freundlich darauf hin, dass per 23.12.2010 441 AKWs in Betrieb und 65 in Bau waren, gemäss der dafür massgeblichen IAEA. P.P.S. Der industrienahe "Energierat" hat's in seinem alle 3 Jahre erscheinenden Ressourcenbericht 2010 ab Seite 202 von Uran. Der Autor dieses Kapitels, H-Holger Rogner von der IAEA, kommt zum Schluss, mit dem Verbrauch von 2008 reichten die bekannten Reserven noch 98 Jahre.



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