Abt. remember Wolfgang U.? - heute: Die Marionette


Stell Dir vor, da meldet die Berner Polizei, ein Oesterreicher, der angeblich Bankdaten aus der Schweiz nach Deutschland verdealte, habe sich erhängt in seiner U-Haft, und ausser den Zeitungen in seinem Herkunftsland bleibt niemand an der Geschichte dran! Die Kronen Zeitung mutmasste gestern, U. könnte von der einen Schweizer Grossbank, die in den letzten Monaten unter massivem Geldabfluss gelitten habe, mit den Daten von zur Konkurrenz abgesprungenen Ex-Kunden gefüttert worden sein. Die habe er dann nach Deutschland verkauft.

Macht das Sinn? Spielen wir's kurz durch (aktualisierte Version). Angenommen Thorsten X., nicht-Schweizer, hat massiv Steuern hinterzogen und Direktor Z von Bank A hat ihm dabei geholfen. Aber inzwischen ist Bank A existenziell bedroht und scheint X nicht mehr sicher genug. Also wechselt X zu Bank B. Bank A hat X in ihren historischen Daten derweil immernoch am Schlafittchen, wenn sie will. Sie könnte X drohen, ihn auffliegen zu lassen, bevor er seine Kohle abgezogen hat. Oder danach. Wenn er sich nicht beeindrucken lässt, weil er denkt, die werden einen Teufel tun, macht Bank A vielleicht ernst, konkret: Direktor Z dreht durch, weil er, Z, mitschuld am Geldabfluss, Mitte '09 gefeuert werden soll. Z denkt sich: "Wenn ich untergeh, solln's die anderen nicht besser haben! Und mit dem Geld für die Daten tauch ich 'ne Zeit lang ab in Mexiko!". In einer Kamikazeaktion brennt Z die Daten von zu Bank B abgesprungenen Grosskunden (die letzte, grosse Tranche der Ueberweisungen geht dorthin, steht im Kontoauszug bei Bank A), auf eine CD und kontaktiert seinen Bekannten aus Gleitschirmfliegerkreisen, den Lebemann Wolfgang U.... Das war vielleicht irgendwann erste Hälfte '09. U. steigt auf das Geschäft ein und verhandelt für Z. verkleidet im Laufe von 2009 mehrfach mit Deutschen Steuerfahndern über die CD. Die CD mit den Daten aus Bank A heisst jetzt "Bank-B-CD", denn darauf sind Namen und Kontos und Beträge die zur Bank B überwiesen wurden, die Bank A als Absender natürlich kennt. Der Name Bank A allerdings taucht nirgends auf der CD auf. Die Fahnder garantieren U. Anonymität. Halten sich aber nicht an das Versprechen. Sie legen eine Akte über U. an mit einer recht genauen Personenbeschreibung. Die Deutschen Steuerfahnder eröffnen anhand der Daten auf der CD, die sie schliesslich U. abkaufen für 2.5 Millionen Euro, in der zweiten Hälfte 2009 ein Verfahren gegen Thorsten X und 1100 andere. Seinen Lohn erhalte er, sobald sich die ersten Fahndungserfolge einstellen würden, wird U. beschieden. Im Rahmen der Ermittlungen erfährt der inzwischen eingeschaltete Anwalt von Thorsten X, dem von der Steuer eröffnet wurde, dass gegen ihn ein Verfahren laufe, Details zum Datendealer Wolfgang U. aus den Untersuchungsakten gegen X. U. kommt auf die schwarze Liste von Thorsten X! Der Anwalt von Thorsten X schickt darum anonym das, was er aus den Fahndungsakten gegen seinen Mandanten über U. kopiert hat, an die Schweizer Bundesanwaltschaft. So will der Anwalt sie auf U.s Fährte ansetzen. Das war um den Jahreswechel '09/'10. Die BA startet tatsächlich ein Verfahren. Der Anwalt von X. ist nicht der einzige, der ihr Material über den Datendealer gesteckt hat. Andere dachten ähnlich wie der Anwalt und versorgten sie mit Indizien. Im Februar ersucht die Schweiz in Sachen U. um Rechtshilfe in Deutschland. Eine Reaktion erhält sie von dort nie. Auf der schwarzen Liste vom Ex-Bankdirektor Z, der ihn "gefüttert" hat, ist U. von Anfang an, noch bevor er überhaupt seine Schuldigkeit getan hat. Denn U. weiss zu viel. Im Juli 2010 macht die Staatsanwaltschaft Düsseldorf Razzien in 13 Filialen von Bank B in Deutschland. Als kurz darauf die 2.5 Millionen Euro aus Deutschland auf U.s ansonsten eher schmalbrüstig ausgestattetem Konto einer Vorarlberger Bank eingehen, schlägt diese Alarm und erstattet Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen U. wegen Geldwäscherei. Die Oesterreicher nehmen aufgrund von U.s Wohnadresse mit den Schweizern Kontakt auf. Die Bundesanwaltschaft heftet sich sofort hocherfreut an U.s Fersen. Am 14. September hat sie genug Material zusammen, dass sie ihn verhaften lässt. 14 Tage später ist U. tot.

Epilog:

Am 31.12.2010 begegnen sich Z und Thorsten X zufällig an einer Silvesterparty im Palace in St. Moritz. Lachend sagt X zu Z, während er ihm mit dem Champagnerglas zuprostet, "Du hast mir ja da kurz einen rechten Schreck eingejagt...!" - "Dafür ist Dein Geld jetzt wieder bei der richtigen Bank!" - "Und Du bist drum ab nächstem Jahr wieder ihr Direktor, wie man hört!" - "Wer kennt Deine Bedürfnisse besser als ich?" - "Auf ein erfolgreiches nächstes Jahr!" - "Prost!" Stoff für James Ellroy! Oder?


ja, es ist

wirklich ausgesprochen bedenklich, dass diese Story so untergeht. Wenn ich mir die Umfragen zur Ausschaffungsinitiative so ansehe, beschleicht mich der Verdacht, dass das Ende des Österreichers ganz im Sinne einer Mehrheit war und deswegen keinen aufregt. Fällt wohl in die Kategorie "klammheimliche Freude".

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ich würde mir tatsächlich einen filmregisseur

suchen, der dieses 'wahrscheinliche', wenn auch nicht unbedingte wahrheitsgetreue (nach Aristoteles) Geschichte in bewegende Bilder umsetzt ...
Ob der nun Österreicher ist oder nicht, spielt keine Rolle

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