Abt. Dichter auf Abwegen


Der österreichische Schriftsteller Peter Handke erhält den mit 50.000 Euro dotierten Heine-Preis der Stadt Düsseldorf. Handke verfolge eigensinnig wie Heinrich Heine den Weg zu einer "offenen Wahrheit", begründete die Jury ihre Entscheidung.orf

"Offene Wahrheit"? Sind damit die warmen Worte gemeint, die Handke am 18. März 2006 an der Beerdigung von Slobodan Milošević sprach - vor mehr als 20.000 Anhängern des jugoslawischen Ex-Präsidenten?

[...] Die so genannte Welt weiß die Wahrheit. Deswegen ist die so genannte Welt heute abwesend, und nicht bloß heute, und nicht bloß hier.[...] Ich weiß die Wahrheit nicht. Aber ich schaue. Ich höre. Ich fühle. Ich erinnere mich. Deswegen bin ich heute anwesend, nah an Jugoslawien, nah an Serbien, nah an Slobodan Miloševic.(zitiert nach wikipedia)

Diese Preisverleihung dürfte noch ziemlich zu reden geben.


Der Unspielbare?!

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Genau, der Un...

spielbare, der auch unbelehrbar ist.

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Lesenswert:


Sorry für die Länge, aber wirklich lesenswert zu diesem Thema, wie ich finde, die NZZ am 6. Mai 2006:

Die Schule der Eigentlichkeit
Seit Jahren betreibt Peter Handke «Serbien» als privatmythologisches Projekt - mit prekären Folgen

Fünfzehn Jahre dauert mittlerweile episodenreich die Auseinandersetzung um Peter Handkes Privatfeldzug «Gerechtigkeit für Serbien», doch scheint sie in der französischen Hauptstadt noch immer nicht ganz angekommen zu sein. Anders lässt sich kaum erklären, dass der Intendant der Comédie-Française, Marcel Bozonnet, die für Anfang 2007 geplante Aufführung von Handkes Stück «Das Spiel vom Fragen» absetzte, nachdem er aus dem «Nouvel Observateur» vom 6. April erst erfahren hatte, dass Handke am 19. März zur Beerdigung des in seiner Zelle am Haager Kriegsverbrechertribunal verstorbenen ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic nach Pozarevac gereist war und dort eine ins Vage gezirkelte apologetische Rede gehalten hatte. Selbst wenn «Das Spiel vom Fragen» das Thema Serbien nicht berührt, wollte Bozonnet Handke keine öffentliche Plattform mehr geben. Er sei ausserstande, zwischen Handkes Kunst und dessen politischem Engagement zu unterscheiden. Letzteres laufe auf Geschichtsleugnung und Beleidigung der Opfer serbischer Kriegsverbrechen hinaus.
Fragwürdige Entscheidung
Nicht nur im Hinblick auf die eigene Uninformiertheit ist Bozonnets Entscheid fragwürdig. Handke besitzt als Dichter längst ein Format, das es verbietet, ihn einfach auf den polemischen Intellektuellen zu reduzieren. Auch wäre das Theater nicht der schlechteste Ort, zu prüfen, ob die Kraft von Handkes Literatur dem Eifer seiner Serbien-Publizistik standzuhalten vermag. Nur: Gleich von «Zensur» zu sprechen, wie es eine Reihe von Handke nahen Kunstschaffenden in einer Solidaritätsadresse tut, scheint übertrieben, hängt die Öffentlichkeit des Stücks doch nicht von dieser einen Aufführung ab. Und muss man wie Elfriede Jelinek gar von einem «Verbrechen» reden? Angesichts des realen Horrors, um den es in dieser Auseinandersetzung letztlich geht, gibt es auch für Übertreibungskunst Geschmacksgrenzen.
Als grobfahrlässig erweist sich der Artikel des «Nouvel Observateur» in seiner Verkürzung und Ungenauigkeit. In der Kurzrubrik «Ausgepfiffen» schreibt die Verfasserin Ruth Valentini, Handke habe das serbische Massaker von Srebrenica sowie die anderen ethnischen Säuberungen gutgeheissen. Nun kann man Handke Wegsehen selbst im offensiven Stil vorwerfen (kurz nach dem Massenmord besuchte er Srebrenica und fand dort nichts als Melancholie zwischen Ruinen), doch gewiss nicht die Befürwortung eines Genozids. Im Gegensatz zum «Revisionismus»- Vorwurf sind solche Aussagen massiv rufschädigend. Kaum haltbar ist anderseits wiederum die Behauptung, Peter Handke unterliege seit seinen Serbien-Eskapaden einer «systematischen Ächtung» und sei zum Freiwild der Medien geworden. Seine Stücke werden nach wie vor regelmässig aufgeführt, seine Romane ausführlich und nicht selten euphorisch besprochen. Das Bemühen der Kritik, ihm trotz «Serbien» Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist unübersehbar.
Unvereinbare Positionen
Die beidseits gepflegte Rhetorik der Übertreibung deutet auf die Unvereinbarkeit der Positionen. Ihr liegt eine grundsätzliche Wahrnehmungsdifferenz zugrunde, aber auch der aggressive Ton, den Handke von Anfang an pflegte. Seit er 1991, zu Beginn des blutigen Zerfalls Jugoslawiens, aufbrach, um auf Reisen im serbisch-bosnischen Grenzland mittels poetischer Dingbetrachtung vor Ort sich die serbische Sache anzueignen, und damit für einen Eklat sorgte, hat Handke dogmatisch an seinen Positionen festgehalten, ja diese noch verschärft, indem er seine Apologie auf das Milosevic-Regime fokussierte. Ortete die überwältigende Mehrzahl der Beobachter die Hauptverantwortung für den blutigen Zerfall des Vielvölkerstaates - anfangs vielleicht zu forsch - bei den bosnischen Serben und ihren Belgrader Hintermännern, sah Handke als Anwalt der Stimmlosen anderes im Tun: den Willen des Westens, Jugoslawien zu zerstören, und, von aussen gesteuert, die Selbstläufigkeit einer «Höllenmaschine», die nicht zu stoppen war. Von daher konnte er 1999 die Nato-Bombardierungen Serbiens, die dem Kosovo-Krieg ein Ende setzten, nur als Verbrechen und das Haager Tribunal nur als Siegerjustiz begreifen. Von Anfang an hatte er den Stab über den Medien gebrochen; sie waren für ihn stets Mitwisser in diesem bösen Spiel.
Es handelt sich um einen klassischen Fall von Verschwörungstheorie. Handke ist von der Idee serbischer Reinheit beseelt, und auf seine Mission lässt er nichts kommen. Gegenüber der überwältigenden Zahl von Fakten und Beweisen - man denke nur an Videoaufnahmen von Erschiessungen muslimischer Jugendlicher durch serbische Freischärler bei Srebrenica - gibt er sich erkenntnisresistent. In seiner Haager Gerichtsreportage interessieren ihn nicht Argumente, sondern ephemere Begleitumstände. Von einer dreistündigen Begegnung mit dem monologisierenden Häftling Milosevic bleibt nicht mehr als die Einsicht, dass dieser «eine tragische Figur» sei. Das Mitgefühl und die Gerechtigkeit wiederum, die Handke zu Recht für die serbischen Kriegsopfer einfordert, glaubt er anderen vorenthalten zu können, indem er dem Haager Tribunal «Grundwillkür» attestiert und dessen Richter karikiert («ein südkoreanischer Pfandrechtsexperte»).
Die Gleichbehandlung der Ethnien in Den Haag ist längst evident (den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman hat einzig der Tod vor der Anklage bewahrt), doch Handke will nicht von der Meinung lassen, es seien vornehmlich Serben, die belangt werden (wobei sie mit Radovan Karadzic und Ratko Mladic die kapitalsten Täter stellen, die bis heute flüchtig sind). Indessen: Wo es um die Erlangung handlungsrelevanter Wahrheit geht, sind der Journalismus wie auch die Justiz in ihrer Begründungspflicht der intuitiv- dichterischen «Umweg»-Recherche überlegen.
Serbische Perspektiven
Unverständlich ist Peter Handkes Starrsinn nicht zuletzt im Hinblick auf die innerserbische Situation. Seinem Anliegen, den Bewohnern des geschundenen Landes zu helfen, wäre mit der Aburteilung der Kriegsverbrechermafia, der Entmachtung der nationalistischen Nomenklatura und der Überwindung des Leidensmythos am wirksamsten Genüge getan. Leider ist nicht bekannt, dass Handke seine serbischen Kontakte jemals im Dienst von Emanzipation und Aufklärung genutzt hätte. Seinen Auftritt am Grab des Tyrannen Milosevic im Geisterzug der Ewiggestrigen hat die demokratische serbische Opposition mit Kopfschütteln verfolgt. Einen Führer in eine bessere Zukunft wird sie in Handke nicht finden.
Über die Motive von Peter Handkes politischer Parteinahme ist viel gerätselt worden. Gewiss ging es dem Kärntner Sohn einer slowenischen Mutter zunächst darum, das Sehnsuchtsland seiner Kindheit, Jugoslawien, zu verteidigen. Doch lassen der verbitterte «Abschied des Träumers vom neunten Land» Slowenien, das nach 1991 zielstrebig den Anschluss an die westliche Gegenwart suchte, und seine Lobpreisung vermeintlich glücklicher serbischer Ursprünglichkeit eine fundamentale Sehnsucht nach der vormodernen Welt erkennen. Von hier aus zieht sich der Bogen zu Handkes Dichtkunst, die insgesamt als grandioses «Gedicht an die Dauer» angelegt ist. Mit dem Versuch mystischer Herstellung innerweltlicher Transzendenz einher geht die ästhetische Ablehnung der «westlichen oder sonstwelchen Warenwelt». Nicht zufällig regt sich bei Handke der Wunsch, «die Abgeschiedenheit Serbiens möge andauern» - scheint ihm das Land doch weder den Sündenfall der Moderne noch ihrer Entwirklichung mitgemacht zu haben.
Die Schule der Eigentlichkeit, die Lehre der Langsamkeit und die Wiederentdeckung des Heiligen indes sind nicht das geeignete Rüstzeug fürs politische Parkett. Was als künstlerische Vision universale Geltungskraft gewinnt, kann an den Forderungen des Tages leicht zerschellen. Man wird den Eindruck nicht los, dass Handke mit seinem Serbien-Feldzug am Ende kein politisches, sondern ein privatmythologisch literarisches Projekt verfolgt. Das Heil, das der Dichter enthüllend zu verhüllen versteht, glaubt der Intellektuelle in Serbien gefunden zu haben. Die Folgen sind prekär, denn wer seine Poetik politisch instrumentalisiert, läuft Gefahr, sie ästhetisch zu beschädigen. Peter Handkes Werk besitzt ohne Zweifel weltliterarischen Rang - sein Schöpfer wird diesen fortan auch gegen sich selbst verteidigen müssen.
Andreas Breitenstein

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A propos Wahrheit:

Im März 2005 gab der Suhrkamp-Verlag bekannt, dass
Handke "grundsätzlich keinen Preis mehr" annehmen wolle...

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Schon mal Handke gelesen? Ausser in der Wikipedia, mein ich.

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yep

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Nein, ich...

kenne diesen Autor nicht. Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms und gehöre zu den aussterbenden Unvernünftigen, d.h. ich habe den Ritt über den Bodensee noch nie gewagt. Du hast natürlich gleich gemerkt, dass ich in dieser Stunde der wahren Empfindung eine falsche Bewegung mache und bloss die Chronik der laufenden Ereignisse beobachte - allerdings mit Phantasien der Wiederholung. Aber wenn ich einmal Zeit habe, der Himmel über Berlin blau ist und das Ende des Flanierens gekommen ist, werde ich mich an den Rand der Wörter wagen und die Innenwelt der Aussenwelt der Innenwelt erkunden, das Gewicht der Welt zu messen versuchen, den Aufsichtsrat begrüssen - und mich schliesslich unter Tränen fragen, ob nicht eine langsame Heimkehr nötig sei.

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gelesen ...

... aber mich dabei mehrheitlich gelangweilt. prädikat: überschätzt.

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