Samstag, 2. Oktober 2010


Abt. timeline - heute: eines mutmasslichen Mordes


(update 24.10.: U. sei Marionette einer Grossbank, um Konkurrenz anzuschwärzen, vermutet die Kronenzeitung. Wir ergänzen die Timeline laufend. Bis auf Weiteres.)

Der Mann, der am Mittwochmorgen, 29.9., tot in seiner Zelle lag in einem Berner Gefängnis, habe sich selber umgebracht, ist die offizielle Version. Genaueres über die Umstände seines Ablebens sind nicht publik gemacht worden bisher. Mindestens solange könnte man auch schreiben, er sei mutmasslich ermordet worden. Tut aber niemand. Ausser infamy. Hier die (mediale) Timeline (weitere Hinweise sind willkommen in den Kommentaren) up to the minute:

Vor der Verhaftung von Wolfgang U. am 14.9.:

2.2. (!) Die DPA verbreitet eine Meldung mit dem Titel "Analyse: Was treibt Datendealer an? Jagd auf „Mr. X“". Der letzte Abschnitt:

Neben der Überweisung auf ein sicheres Auslandskonto verlangen Datenanbieter oft eine neue Identität. Sie fürchten Racheakte ihrer früheren Arbeitgeber oder enttarnter Kunden aus der Unterwelt. Ein Steuerfahnder: „Jeder Informant muss wissen, dass sein altes Leben vorbei ist.“
"vorbei" in welchem Sinne?

Februar 2010: Die Schweizer Bundesanwaltschaft ersucht, laut BaZ vom 6.10., um Rechtshilfe in Deutschland. Eine Antwort steht - immer laut BaZ - bis dato aus.

Im Laufe der weiteren Ermittlungen kommt die Bundesanwaltschaft zum Schluss, dass gegen Wolfgang U. Art. 44 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege zu Anwendung komme:

Art. 44 Gegen den Beschuldigten darf ein Haftbefehl nur erlassen werden, wenn er eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt ist, und wenn ausserdem eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist:

  1. dringender Fluchtverdacht; dieser kann insbesondere angenommen werden, wenn dem Beschuldigten eine mit Zuchthaus bedrohte Tat vorgeworfen wird, oder wenn er sich über seine Person nicht ausweisen kann oder in der Schweiz keinen Wohnsitz hat;
  2. bestimmte Umstände, welche den Verdacht begründen, dass der Beschuldigte Spuren der Tat vernichten oder Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen Aussagen verleiten oder sonst den Zweck der Untersuchung gefährden werde.

Vermutlich ein Bundesanwalt erlässt daraufhin einen Haftbefehl, basierend auf Art 45:

Art. 45 Zum Erlass des Haftbefehls sind berechtigt:

  1. vor Einleitung der Voruntersuchung der Bundesanwalt und die nach kantonalem Recht hiefür zuständigen Behörden; sie haben die Vorschriften dieses Gesetzes zu befolgen;
  2. in der Voruntersuchung der Untersuchungsrichter;
  3. im weitern Verfahren das Gericht, bei welchem die Sache hängig ist, oder sein Präsident.
Der Haftbefehl muss Art. 46 erfüllen
Art. 46 1 Der Haftbefehl ist schriftlich zu erlassen. 2 Im Haftbefehl ist der Beschuldigte genau zu bezeichnen. Die Tat, deren er beschuldigt wird, die Strafbestimmungen und der Grund der Verhaftung sind anzugeben. 3 Der Haftbefehl wird dem Beschuldigten bei der Verhaftung oder ohne Verzug nach der Verhaftung mitgeteilt. 4 Im Protokoll sind die Tatsachen, auf die sich der Haftbefehl stützt, anzuführen.
Am 14. September wird Wolfgang U. aus Arzl im Pitztal in Wil in seinem Atelier / Büro von drei Beamten in zivil verhaftet und in einem Wagen mit Zürcher Kennzeichen abgeführt, sagen Nachbarn gegenüber Tele Züri aus am 2.10. Er sei in den vergangenen Monaten etwas weniger kontaktfreudig gewesen als früher, meinen sie. Aber eigentlich sei ihnen nichts Besonderes aufgefallen. Ab dieser Verhaftung am 14. September 2010 kommt Art. 47 zur Anwendung:
Art. 47 1 Der verhaftete Beschuldigte wird unverzüglich der Behörde, die den Haftbefehl erlassen hat, zugeführt und von dieser innert 24 Stunden zur Sache einvernommen. 2 Besteht nach wie vor ein Haftgrund, so veranlasst der Bundesanwalt unverzüglich die Zuführung an die für die Haftprüfung zuständige kantonale Gerichtsbehörde oder den eidgenössischen Untersuchungsrichter und stellt Antrag auf Bestätigung der Haft. Hat der eidgenössische Untersuchungsrichter den Haftbefehl erlassen, so verfährt er unmittelbar nach Absatz 3. 3 Die richterliche Behörde hört den Beschuldigten unverzüglich nach der Zuführung an. Sie gibt ihm Gelegenheit, den bestehenden Verdacht und die Haftgründe zu entkräften. Hat der Betroffene noch keinen Verteidiger und ist er unvermögend, so entscheidet die befasste richterliche Behörde auf Begehren über die Bewilligung eines amtlichen Verteidigers im Haftverfahren. 4 Die richterliche Behörde entscheidet innert 48 Stunden seit der Zuführung über Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft. Sie teilt ihren Entscheid den Beteiligten mit einer kurzen Begründung schriftlich mit, auch wenn er schon mündlich eröffnet wurde. 5 Der verhaftete Beschuldigte wird ohne Verzug auf das Recht aufmerksam gemacht, einen Verteidiger zu bestellen (Art. 35 ff.), jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einzureichen (Art. 52) und, sofern die Interessen der Untersuchung dem nicht zwingend entgegenstehen, seine Familie oder andere Bezugspersonen zu benachrichtigen.
Art. 48ff besagen u.a., der Verhaftete soll von Strafgefangenen getrennt sein; er darf in seiner Freiheit nicht weiter beschränkt werden, als es der Zweck der Haft und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis erfordern; der Richter hat für den richtigen Vollzug der Haft zu sorgen, ausserdem hat auch die zuständige kantonale Behörde den Vollzug zu überwachen. Art. 51, Abs. 2 besagt:
Beabsichtigt der Untersuchungsrichter, die nach Artikel 44 Ziffer 2 verfügte Untersuchungshaft länger als 14 Tage aufrechtzuerhalten, so hat er vor Ablauf dieser Frist bei der Beschwerdekammer um Haftverlängerung nachzusuchen.
In der Nacht auf den 15. Hafttag, in der Nacht auf Mittwoch den 29.9., stirbt Wolfgang U. und wird morgens um 6:30 tot in seiner Zelle aufgefunden

30.9. Communiqué der Berner Polizei:

Angestellte des Regionalgefängnisses hatten den Mann beim Überbringen des Frühstücks am Mittwoch, 29. September 2010, um zirka 0630 Uhr tot aufgefunden. Der 42-Jährige muss in der Nacht zuvor verstorben sein. Die genauen Umstände, die zum Tod des Mannes geführt haben, sind noch nicht restlos geklärt. Nach bisherigen Erkenntnissen kann aber Dritteinwirkung ausgeschlossen werden. Es dürfte sich um einen Suizid handeln. Die Person war Mitte September von der Bundesanwaltschaft (BA) im Rahmen eines gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens unter anderem wegen Verdachts auf wirtschaftlichen Nachrichtendienst (Art. 273 StGB) verhaftet worden.
30.9. 09:45 SDA verbreitet Communiqué nahezu wörtlich weiter

30.9. 09:53 20min reicht das Communiqué weiter unter dem Titel "Mutmasslicher Spion tot in Zelle entdeckt"

30.9. 11:40 Newsnetz bringt die SDA-Meldung unter dem Titel: Verdacht auf Wirtschaftsspionage: Häftling bringt sich in Zelle um

30.9. 14:17 blick.ch bringt SDA-Meldung und schreibt in Ergänzung des Communiqués:

«Wir geben auch die Nationalität des Mannes nicht bekannt. Ermittlungstaktische Gründe sprechen dagegen», sagte Jeannette Balmer von der Bundesanwaltschaft gegenüber Blick.ch. Der Mann sei in einer regulären Zelle mit entsprechendem Mobiliar untergebracht gewesen, hiess es bei den Berner Untersuchungsbehörden.
1.10. 7:22 Kronenzeitung online meldet:
Tiroler Steuer-Spion in der Schweiz tot in Zelle gefunden - "Mutmaßlicher Spion tot in Zelle entdeckt" – so eine der vielen Schlagzeilen.
1.10. 11:18 Newsnetz meldet, dass die Bundesanwaltschaft (BA) bestätige, was die Kronen Zeitung schrieb: Toter Häftling war mutmasslicher Datendieb

1.10. 12:43 SDA meldet, dass die BA bestätigt, was Newsnetz bei der Kronen Zeitung abgeschrieben hat:

Toter Berner Häftling war mutmasslicher Steuerspion - Der Untersuchungshäftling, der am Mittwoch tot in seiner Berner Zelle aufgefunden wurde, war im Rahmen der Strafuntersuchung wegen Bankdatendiebstählen inhaftiert. Die Bundesanwaltschaft bestätigte am Freitag entsprechende Angaben von "Tagesanzeiger.ch/Newsnetz".
1.10. 13:12 infamy schreibt "Abt. Wie funktioniert eigentlich... - heute: Bankmafia"

1.10. 17:29 (posting wird ergänzt am 2.10.2010, 14:47; womit lässt sich nicht rekonstruieren) Kronenzeitung online publiziert ein unverpixeltes Foto des Toten und schreibt: Tiroler Steuer-Spion führte in Schweiz Dopelleben

1.10.2010 18:00 Tele Züri macht auf mit der Geschichte. Daniel Vischer sagt: "Untersuchungshaft ist immer eine Geständnismaschine”; Martin Spieler, Chefredaktor der SonntagsZeitung spekuliert über die Motive für den Datenklau (Rache oder Geldgier - wie originell von Spieler, dessen Blatt am Sonntag nichts über die Geschichte bringen wird); Marcel Anderwert, Autor des Beitrags, spricht von dem Toten als “... im Gefängnis ums Leben gekommen”.

1.10. 18:55 Newsnetz meldet: Erhielt die Bundesanwaltschaft einen Tipp aus Deutschland?

1.10. 18:59 Schweiz aktuell von SF erzählt nach, was die Kronen Zeitung am frühen Morgen berichtete.

1.10. 19.41 Financial Times Deutschland schreiben:

Lieferant von Steuer-CD tot aufgefunden In Schweizer Untersuchungshaft hat sich ein Österreicher das Leben genommen. Er war einer Zeitung zufolge der Lieferant einer CD mit Bankdaten von Steuererhinterziehern. (...) Die Affäre um die CD-Steuerdaten war Ende Januar aufgeflogen. Ein Informant hatte den Steuerbehörden Daten von Deutschen angeboten, die große Geldsummen auf Schweizer Konten geschleust hätten. Insgesamt rund 1,34 Mrd. Euro unversteuertes Vermögen sollen die auf der Daten-CD gespeicherten 1106 Kunden in der Schweiz deponiert haben. Nach fast zweijähriger Vorbereitung kaufte die NRW-Landesregierung die Datensätze Anfang März schließlich für 2,5 Mio. Euro. (...) Der Kauf der Daten-CD wurde jedoch von Pannen begleitet. So wurde unter anderem der Informant in einem Dossier der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft detailliert beschrieben. Der Datenbeschaffer drohte aufzufliegen.
1.10. 23:48 blick.ch schreibt: "Daten-Dealer Wolfgang U. starb in Berner Knast - Tödlicher Bankdaten-Klau" (posting wird am 2.10. 10:16 ergänzt; womit genau lässt sich nicht rekonstruieren)

1.10. (genaue Zeit offen) ORF Tirol schreibt:

Myteriöser Tod eines Tirolers in der Schweiz (...) Der neue Leiter der Staatsanwaltschaft in Feldkirch, Wilfried Siegele, bestätigte gegenüber dem ORF Tirol Ermittlungen gegen den 42-jährigen Tiroler. Eine Voralberger Bank habe eine Meldung wegen des Verdachts der Geldwäsche gemacht. Der Tiroler, ein Oberländer, habe Gelder über ein Konto in Vorarlberg transferiert, wohin, will die Staatsanwaltschaft heute nicht sagen, auch wie viel Geld bewegt wurde, ist noch nicht bekannt. Vor zwei Wochen, am 14. September, wurde der Tiroler dann in Bern verhaftet. (...)
2.10. 01:34 SF betitelt ein kurzes, belangloses Video und den redigierten SDA-Text mit "Steuer-CD-Affäre: Mysteriöser Tod in Berner Zelle"

2.10. 08:56 Newsnetz schreibt: "Toter Datendieb führte ein Doppelleben"

2.10. 13:25 Newsnetz schreibt:

Bericht: Wolfgang U. hat Geldtransfer organisiert - Wie die «Kronezeitung» am Samstag berichtet, soll es sich beim verstorbenen Wolfgang U. um den Überbringer der Steuerdaten-CD handeln. Der Österreicher agierte in der Datenaffäre offenbar als Teil einer Gruppe.
2.10.2010 18:00 TeleZüri geht vor Ort und berichtet über die Verhaftung von Wolfgang U. in seinem Atelier / Büro und interviewt seine irritierten Nachbarn. (Am 7.10. war von dem ursprünglich rund 15minütigen Video der integralen "ZüriNews", mit der Wolfgang-U.-Story als Aufmacher, nur noch 30 Sekunden im Netz, das ist seit dem 8.10. etwa mittags korrigiert; von den News zuvor und danach waren immer die vollständigen Sendungen im TeleZueri Oktober-Archiv)

2.10. 18:24 Kronenzeitung Online bringt einen neuen "Experten" ins Spiel. Einen "Historiker Sean Hross" aus Bern mit angeblich einschlägiger Hafterfahrung. Whoever that is... Er wird zitiert mit der Aussage, in diesem Berner Gefängnis werde gefoltert.

Wurde Wolfgang U. in den Tod getrieben? Warum sollte der U-Häftling, der sein Wissen über mögliche Hintermänner hätte nutzen können, Selbstmord begehen? Und warum verheimlichen die Schweizer Behörden die genauen Todesumstände? Nicht nur die Angehörigen des verstorbenen Grafikers fordern Antworten. "Ich habe Wolfgang noch zwei Tage vor seiner Verhaftung getroffen. Er war wie immer cool und voller Tatendrang. Ich kann nicht glauben, dass er sich selbst umgebracht hat – das passt nicht zu ihm", so ein langjähriger Freund zur "Krone". Historiker Dr. Sean Hross aus Bern glaubt zu wissen, was mit Wolfgang U. tatsächlich passierte: "In dieser Justizanstalt ist die sogenannte 'O2T'-Foltermethode der Geheimdienste besonders beliebt. Der Insasse wird mit kontrolliertem Sauerstoffentzug in abgedichteten Räumen gesprächig gemacht – oder durch Folge-Erkrankungen wie Depressionen in den Tod getrieben. Der Mann wurde 'geselbstmordet'. Ich weiß, wovon ich spreche, ich musste dies in Bern fünf Monate über mich ergehen lassen."

2.10. 22:22 oe24.at bringt weitere Details über den Toten, u.a. Wohnort und den Namen seiner Firma (max GmbH in Wil, Website), anhand dessen kinderleicht sein vollständiger Name rauszufinden ist und seine private Homepage (nur noch im Google Cache vorhanden...) oder die Todesanzeige: "Todesrätsel um Steuer-Spion"

2.10. 23:00 SonntagOnline findet nichts Neues raus und schreibt bei der Kronenzeitung ab, was die Stunden zuvor schon online publiziert hatte: "Wie die österreichische «Kronen Zeitung» berichtet, soll Wolfgang U. «die Hauptverbindung zwischen den unbekannten Datendieben und dem Käufer, dem deutschen Staat, gewesen sein». Der Österreicher soll den Geldaustausch geregelt und sich so ein Stück vom Kuchen abgeschnitten haben."

3.10. Die NZZ am Sonntag schreibt bei der Kronen Zeitung und beim ORF ab, welcher aber auch nur bei der Kronen Zeitung abgeschrieben hatte. NZZaS: "Toter Tiroler war wohl kaum der Dieb der CS-Daten - Der in Haft gestorbene Tiroler soll laut Zeitungen in einen Datendiebstahl verwickelt gewesen sein. Er handelte aber wohl als Zwischenhändler."

3.10. le matin dimanche schreibt bei Kronen Zeitung und ORF ab: "L’homme mort dans sa cellule n’aurait été qu’un intermédiaire "

3.10. Die SonntagsZeitung bringt die Geschichte überhaupt nicht.

3.10. Der SonntagsBlick bringt die Geschichte überhaupt nicht.

3.10. 7:16 Newsnetz schreibt bei "Sonntag" ab, was der bei der Kronen Zeitung abgeschrieben hatte: "Vater von Wolfgang U. kritisiert die Schweiz scharf"

3.10. 8:57 20min schreibt beim Sonntag ab, was der bei der Kronen Zeitung abgeschrieben hatte: "Vater von Daten-Dealer kritisiert die Schweiz"

3.10. 12:21 Blick online schreibt bei allen verfügbaren Quellen ab und erzählt inkorrekt nach, was in Tele Züri zu sehen gewesen sein soll:

Warum brachte er sich um? Daniel Vischer, Nationalrat der Grünen und Mitlied der Finanzkommission, äusserte auf «Tele Züri» folgenden Verdacht: Der Verdächtigte könnte in den Verhören «weichgekocht» worden sein. Und habe dann diesem Druck nicht wiederstehen können.
Vischer hatte am Freitag gesagt: "Untersuchungshaft ist immer eine Geständnismaschine. Man nimmt ja jemanden in Untersuchungshaft, auch damit er gesteht. Vielleicht stand er unter enormem Druck." Das Wort "weichgekocht" kommt in dem Beitrag nicht vor. Geständnismaschine: Bestätigt NR Daniel Vischer implizit den in der Kronen Zeitung erhobenen Foltervorwurf des mysteriösen Berners Sean Hross?

3.10. 13:38 Die Kleine Zeitung bringt die Meldung der Austrian Press Agency APA, die's macht wie Blick online und ringsum abschreibt, was die anderen einander schon abgeschrieben haben, fügt aber immerhin an fast allen notwendigen Orten "angeblich" und "mutmasslich" ein: Vater des toten Oesterreichers kritisiert Behörden

3.10. 18:13 (Printausgabe 4.10.) Die Presse schreibt ab, was "Sonntag" und "NZZ am Sonntag" im grossen Ganzen der Kronen Zeitung abgeschrieben haben, allerdings rutscht ihr ein Satz rein, der so nirgends, vor allem nicht, wie Die Presse insinuiert, in der NZZaS, zu finden ist:

Folter im Gefängnis? Laut „NZZ am Sonntag“ könnte U. auch in den Deal mit einer anderen CD als der oben erwähnten verwickelt gewesen sein. Freunde berichten, er habe nie über die Causa gesprochen und sei ein bescheidener Mensch und „Lebenskünstler“ gewesen, der das Geld nicht nötig gehabt hätte. Vielleicht sei er in der Haft gefoltert worden.
Freunde mutmassen demnach, er sei gefoltert worden. Andere, die im weitesten Sinne Fremdeinwirkung ins Spiel bringen, sind der mysteriöse Berner "Historiker Dr. Sean Hross" in der Kronen Zeitung und Daniel Vischer bei Tele Züri, paraphrasiert von Blick online.

4.10.2010 13:02 Newsnetz schreibt ab, was die Kronen Zeitung am Samstag publizierte...

Die österreichische Berichterstattung über den toten mutmasslichen Datendealer treibt seltsame Blüten. In der «Kronen Zeitung» spricht ein «Historiker» über eine dubiose Foltermethode der Schweizer Justiz.
...und fragt bei den Behören nach, ob denn bei ihnen tatsächlich gefoltert würde:
Die abstrusen Aussagen des «Dr. Hross», die an einen drittklassigen Agententhriller erinnern, druckte die «Kronen Zeitung» ungeprüft ab. Dabei gibt es weder einen Historiker namens Sean Hross in Bern noch eine O2T-Foltermethode. Bei der Kantonspolizei Bern kann man über den Artikel nur den Kopf schütteln. Dass man nicht mehr zur Art des Suizids des Untersuchungshäftlings mitgeteilt habe, habe damit zu tun, dass noch Analyseergebnisse ausstehend seien und dass man bei Selbstmorden generell zurückhaltend kommuniziere, sagt Michael Fiechter, Sprecher der Kantonspolizei Bern. Bass erstaunt über den Bericht der «Kronen Zeitung» war auch Beat Jost, stellvertretender Vorsteher des Amts für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern. «Es wird in keinem Regionalgefängnis des Kantons Bern gefoltert», stellt Jost gegenüber baz.ch/Newsnetz klar. «Bei uns wird nicht gefoltert!»
Na, da sind wir aber beruhigt!

4.10. 17:55 Die Salzburger Nachrichten ergänzen:

Naturgemäß ist der Finanzminister „immer dankbar, wenn wir solche Sachverhalte zur Kenntnis bekommen und zusätzliche Steuereinnahmen lukrieren können“. Ein ähnlicher Zusammenhang ist auch im Fall des in der Vorwoche in Schweizer Untersuchungshaft verstorbenen Tirolers Wolfgang U. (42) nicht von vornherein auszuschließen. Immerhin ermittelte die Staatsanwaltschaft Feldkirch seit März nach einer Geldwäsche-Verdachtsmeldung einer Vorarlberger Bank. Man habe unter anderem wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz und widerrechtlichem Zugriff auf ein Computersystem ermittelt, erklärte Heinz Rusch, Sprecher der Anklagebehörde in Feldkirch. „Welche Rolle der Verstorbene genau gespielt hat, war Gegenstand der Ermittlungen“, sagte Rusch. Der Anwalt und der Vater des Verstorbenen wollten sich nicht äußern.
Falls Dir, wie mir, das schöne Wort "lukrieren" bisher unbekannt war, hier geht's zur Erläuterung.

6.10. BaZ Deutschlandkorrespondent Benedikt Vogel besucht in der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Dirk Negenborn

Diesmal kommt die Steuer-CD aus der Schweiz. Die Daten stammen von der Grossbank Credit Suisse. Eine sechsköpfige Sonderabteilung unter Negenborns Leitung wertet sie aus. Zu seinem Team gehören zwei Staatsanwälte, zwei Buchhalter und ein Wirtschaftsreferent. Wenn Negenborn tätig wird, gerät die Schweiz in Aufruhr. So auch, als die Polizei Mitte Juli auf sein Geheiss 13 Filialen der Credit Suisse Deutschland durchsuchte und rund 130 Kartons mit Schriftstücken und Datenträgern abtransportierte. Anfang August liess Negenborn dann einen Fragebogen an 1500 deutsche CS-Kunden verschicken. Beide Aktionen hatten ein Ziel: Banker der CS sollten der Beihilfe zur Steuerhinterziehung überführt werden, die in Deutschland strafbar ist. Daneben führt Negenborns Abteilung Verfahren gegen Deutsche wegen Steuerhinterziehung. Auf Grundlage der gestohlenen Steuer-CD wurden 1100 Verfahren eingeleitet, davon rund 180 hier in Düsseldorf. FUNKSTILLE. Auch die Bundesanwaltschaft in Bern ermittelt – auch wegen der Steuer-CD. In Bern aber interessieren nicht die Steuerhinterzieher. Hier interessieren die Personen, die die Daten bei der Credit Suisse entwendet und nach Deutschland verkauft haben. Wirtschaftlicher Nachrichtendienst lautet der Vorwurf. Ein mutmasslicher Mittäter, der 42-jährige Österreicher Wolfgang U., wurde Mitte September verhaftet und hat sich letzte Woche in Berner Untersuchungshaft das Leben genommen (vgl. BaZ vom Samstag). Die Schweizer Ermittler waren dem Tiroler durch eigene Ermittlungen auf die Spur gekommen. Hinweise aus Deutschland erhielten sie nicht. Zwar hat die Bundesanwaltschaft bereits im Februar bei Deutschland um Rechtshilfe ersucht; Auskunft hat sie jedoch bisher nicht bekommen. Deutschland lässt die Schweiz zappeln. Selbst die Eingangsbestätigung hat ein halbes Jahr auf sich warten lassen. Wenn man Negenborn auf den Verkäufer der Steuer-CD anspricht, wird er schweigsam. Nicht er habe die Verhandlungen mit dem Informanten geführt, sagt er, das habe eine andere Einheit der Ermittlungsbehörden besorgt. Negenborn weiss zwar, wer der Datendieb ist. Er habe das aber «nicht von offizieller Stelle» erfahren. Für Dirk Negenborn zählt nur die CD. Sie ist der für 2,5 Millionen Euro angeschaffte Schatz, auf den er und seine Ermittler ihre Arbeit abstützen. Die Kopie liegt irgendwo hier im Düsseldorfer Justizgebäude, vielleicht in dem unscheinbaren Holzschrank, auf dem Negenborns Wasserkocher steht. Negenborn schweigt. Nur so viel: Das Original ist in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung. Negenborn jagt die Steuerhinterzieher, die auf der CD gespeichert sind. Dort sind Personalien, Kontonummern und Vermögen der deutschen Anleger verzeichnet.
Etwa eine Milliarde Euro an Steuernachforderungen seien zu erwarten.

7.10. 11:20 NZZ erwähnt BaZ vom Vortag im Artikel "Deutschland weiter auf der Suche nach Steuersündern"

Die deutschen Behörden suchen nach Beweisen dafür, dass die Schweizer Grossbank Credit Suisse systematisch deutschen Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen hat. Die Ermittlungen dazu laufen auf mehreren Schienen. (...) Wie der leitende Ermittler Dirk Negenborn gegenüber der «Basler Zeitung» ausführt, sei mit dieser Aufgabe derzeit eine sechsköpfige Sonderabteilung beschäftigt – er selber, zwei weitere Staatsanwälte, zwei Buchhalter und ein Wirtschaftsreferent. Negenborn liess Mitte Juli 13 Filialen der Credit Suisse Deutschland durchsuchen und transportierte damals 130 Kartons mit Schriftstücken und Datenträgern ab. Auf der Grundlage der gestohlenen Steuer-CD wurden 1100 Verfahren eingeleitet. Gemäss Negenborn wurde in den letzten Monaten gut die Hälfte der mutmasslichen Steuerhinterzieher vernommen, zudem wurden Durchsuchungen durchgeführt.
Die NZZ betont, sowohl der Kauf der Daten-CD als auch das Vorgehen rund um die Fragebögen werde nicht nur von Schweizer Seite, sondern auch von deutschen Steuerexperten als sehr bedenklich eingeschätzt.

9.10. 19:51 krone.at meldet, Wolfgang U.s Urne sei beigesetzt und munkelt

Auffallend: Rund um die Kirche waren einige Autos mit Schweizer Kennzeichen – wohl auch vom Geheimdienst – geparkt. Indes umgibt die Causa um verkaufte Bankdaten von deutschen Steuerflüchtlingen bei einer Schweizer Bank weiterhin eine Mauer des Schweigens. Die österreichischen Behörden bekommen weiterhin kaum Informationen. Mittlerweile wurde zumindest bekannt, dass über das Vorarlberger Konto des mutmaßlichen Steuer- Spions die gesamte Summe von 2,5 Millionen Euro, die der deutsche Fiskus für die Steuer- CD zahlte, gewaschen werden sollte.
Rund 100 Personen hätten an der Abdankung teilgenommen.

10.10. "Sonntag" nimmt als einzige Sonntagszeitung die Geschichte nochmals auf und fragt beim Vater von Wolfgang U. nach (online nicht vorhanden):

Daten-Dealer: Schweiz lässt Vater weiter im Unklaren Der Österreicher ist von der Schweiz tief enttäuscht «Ich verlange Auskunft darüber, warum mein Sohn im Gefängnis sass, ohne dass jemand informiert wurde.» Dies sagte der Österreicher Albert U., der Vater des verstorbenen Daten-Dealers, vor einer Woche gegenüber dem «Sonntag». Der gebrochene Mann erhielt diese Auskunft bis heute nicht. Zehn Tage nach dem Tod seines Sohnes lässt die Schweiz den Vater weiter im Unklaren. Daten-Dealer Wolfgang U. (42) hat sich während seiner U-Haft im Regionalgefängnis Bern umgebracht. «Ich weiss bis heute nicht wie.» Bis heute habe er kein Telefon aus der Schweiz erhalten. «Ich bin schwer enttäuscht», so der Vater gegenüber dem «Sonntag». «Ich bin sprachlos. Mir fehlen die Worte. Aber: So ist halt die Schweiz.» Im Februar wurden Deutschland CDs mit Daten mutmasslicher Steuersünder angeboten. Wolfgang U. soll die Hauptverbindung zwischen den unbekannten Datendieben und dem Käufer, dem deutschen Staat, gewesen sein. Der Österreicher soll den Geldaustausch geregelt haben. Die Bundesanwaltschaft führt seit Februar 2010 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Verdachts auf wirtschaftlichen Nachrichtendienst.
Der Vater weiss bis heute nicht, wie sein Sohn sich umgebracht hat, resp. wie er zu Tode kam, aber die Leiche ist bereits eingeäschert??? Wenn die Leiche offenbar freigegeben wurde zur Kremation, müssen die Obduktion vorüber und alle weiteren Daten soweit gesichert und gesammelt sein, dass aus deren Analyse zweifelsfrei feststellbar sein sollte, wie Wolfgang U. starb. Die Leiche wird erst freigegeben, wenn sie "nicht mehr benötigt wird". Und wenn die Todesursache so eindeutig ist, dass die Leiche bereits freigegeben werden konnte, könnten die Untersuchungsbehörden dem Vater ja verraten, wie sein Sohn zu Tode kam. Sie schweigen sich aber offenbar weiter darüber aus.

11.10. (online publiziert: 14.10. 17:03) Profil, das österreichische Nachrichtenmagazin, titelt: "Ein Tiroler erhängt sich, nachdem er wegen Wirtschaftsspionage verhaftet worden ist" und erzählt im Grossen und Ganzen Bekanntes nach ausser:

Mittwoch vergangener Woche wurde sein Leichnam eingeäschert [6.10., eine Woche nach seinem Tod in der Nacht auf den 29.9.], der Obduktionsbericht dürfte erst Mitte dieser Woche [13.10.] vorliegen, weil weiterführende labortechnische Untersuchungen noch andauern. (...) Laut profil-Recherchen wurde U. lediglich verdächtigt, die Übermittlung des Verkaufspreises vom Käufer an die Datendiebe durchgeführt zu haben. Eine verdächtige Bewegung auf einem Konto von Wolfgang U. bei einer Bank in Feldkirch hatte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Vorarlberg wegen Verdachts auf Geldwäsche ausgelöst, die mit seinem Tod eingestellt wurden. (...) Wie profil-Recherchen in diplomatischen Kreisen ergaben, kann von Geheimniskrämerei der Schweizer Behörde keine Rede sein. Nach den Abmachungen der Wiener Konsularkonvention von 1963 bestand für die Schweizer Beamten die Pflicht, den Verhafteten über sein Recht aufzuklären, Kontaktstellen seiner Wahl zu informieren, was auch passiert sei. Doch U. habe keinen Wert darauf gelegt, etwa seine Eltern oder die österreichische Botschaft in Bern über seine Situation in Kenntnis zu setzen. Umgekehrt hätten die Schweizer Ermittlungsbehörden die österreichischen Kollegen sofort informiert. "Zwischen den Schweizern und den Österreichern gibt es eine sehr gut funktionierende Kommunikation", so ein anonym bleibender Diplomat.
Letzteres heisst: U. wollte offenbar nicht, dass jemand weiss, dass er verhaftet wurde, wofür er, falls die Information korrekt ist, seine Gründe gehabt haben wird; die Schweizer allerdings haben sofort die Oesterreicher informiert, dass U. bei ihnen einsitzt. 2 Wochen später ist U. tot.

13.10. Berner Polizei gibt Todesursache bekannt: "Dritteinwirkung nach Tod im Regionalgefängnis ausgeschlossen" und führt aus:

Der 42-jährige Mann, der sich alleine in der Zelle aufgehalten hatte, erhängte sich mit einem Fernsehkabel. Dritteinwirkung kann ausgeschlossen werden. (...) Er hinterliess einen Abschiedsbrief in dem er festhielt, dass er sich Mühe gegeben habe, dass niemand etwas von seinen suizidialen Absichten mitbekommt.
Dass der Titeldichter "Dritteinwirkung nach Tod im Regionalgefängnis ausgeschlossen" schreibt, wollen wir ihm mal nicht ankreiden. Aber dass mit dieser Formulierung die "Dritteinwirkung" NACH dem Tod ausgeschlossen wird, entbehrt nicht einer gewissen traurigen Ironie.

13.10. 18:35 krone.at greift die Meldung auf und bringt die Aussage eines langjährigen Freundes von Wolfgang U.: "Ich habe Wolfgang noch zwei Tage vor seiner Verhaftung getroffen. Er war wie immer cool und voller Tatendrang. Ich kann nicht glauben, dass er sich selbst umgebracht hat – das passt nicht zu ihm".

14.10. 07:46 oe24 schreibt: Vor dem Suizid verfasste Wolfgang U. noch einen umfassenden Abschiedsbrief. (...) Bei seinem Freitod sei der 42-Jährige nicht unter Einfluss von Drogen oder Alkohol gestanden, so die Schweizer Ermittler. Wolfgang U. habe in seiner Zelle das Kabel des Fernsehers herausgerissen und sich damit erhängt. Was genau in seinem Abschiedsbrief steht, wollten die Polizei-Sprecher nicht sagen.

14.10. 08:35 Blick kennt keinen Konjunktiv und schreibt "Steuer-Spion erhängt sich mit Fernsehkabel" und weiss auch im Indikativ, was der Tote getan hat:

Nachdem die erste Steuer-CD an den deutschen Fiskus verkauft worden war, wollte auch der Tiroler Wolfgang U. (42) auf den Zug aufspringen. (...) Er presste Daten von fast 2000 deutschen und österreichischen Steuerflüchtlingen auf eine CD und bot sie den Behörden beider Länder zum Kauf an.
Das will Blick von der Kronen Zeitung haben. Die aber bleibt in den Formulierungen sauberer als das Ringier-Blatt mit seinen Vorverurteilungen und angeblichen Gewissheiten, denn die Krone verwendet "soll" und "alles deutet darauf hin" etc.

18.10. DER SPIEGEL titelt in seiner Printausgabe auf S. 26 "Geschäfte mit Ganoven" und schreibt im Lead:

Brisante Banken-CDs könnten dem Fiskus viele Milionen bescheren. Doch FDP-regierte Bundesländer bremsen die Strafverfolgung.
Die letzte Abschnitte lauten:
Womöglich aber er erledigt sich das Problem ohnehin von selbst - indem ganz einfach der Markt für Steuer-CDs zusammenbricht. Darauf jedenfalls könnte die Geschichte von Wolfgang U. hindeuten. Der 42jährige Grafiker aus Österreich hat sich vor fünf Wochen im Regionalgefängnis Bern das Leben genommen, wo er wegen des Verdachts auf Datenverkauf einsass. Auf seinem Konto sollen mutmasslich 2,5 Millionen Euro gelandet sein, die NRW [Nordrhein-Westfalen] für das Datenpakt der Credit Suisse gezahlt hat. U., ein Abenteurer, der Fallschirm sprang und schon mal Tiger streichelte, war weder Banker noch Computerspezialist. Vielleicht war er nur ein Strohmann des eigentlichen Datendiebs. Vom Alter her und auch nach den Fotos könnte es der Mann mit Sonnenbrille und Mütze gewesen sein, der achtmal mit Steuerfahndern verhandelt hat. Dabei hatte dieser auf absoluter Diskretion bestanden, weil er um sein Leben fürchtete. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft fühlte sich später nicht an die Geheimhaltungsabsprachen der Steuerfahnder gebunden. Sie fertigte ein Dossier an, das mit den Credit-Suisse-Akten verteilt wurde, darin auch eine Beschreibung des Datenverkäufers, die auch Schweizer Behörden vorliegt. "Unsere Arbeit wird boykottiert, klagt Ondracek [Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Finanzverwaltung], man könnten schon den Verdacht haben, hier sollten "potentielle Anbieter abgeschreckt werden".
Will Ondracek damit andeuten, dass die Weitergabe der Akten durch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nicht in bester Absicht geschah? Impliziert er damit, dass die Staatsanwälte dort in Kauf nahmen, dass damit Wolfgang U. in der Schweiz früher oder später auffliegen würde?

18.10. 17:17 swissinfo meldet: "Bundesland kauft zweite Schweizer Steuer-CD" und schreibt weiter:

Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen hat erneut Daten einer Schweizer Bank über mutmassliche Steuerhinterzieher erworben. Für 200 Datensätze der Schweizer Bank Julius Bär seien 1,4 Mio. Euro bezahlt worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Münster. (...) Laut dem deutschen Nachrichtenmagazin [SPIEGEL] überwies der Datendieb die Summe einer sozialen Einrichtung. Diese sei so verblüfft gewesen, dass sie das Geld vorerst zurücküberwiesen habe.
Welches Schicksal würde den edlen Spender ereilen, wenn er verhaftet würde? Dasselbe wie Wolfgang U.?

21.10.13:03 Die Tiroler Tageszeitung erzählt nach, was der SPIEGEL berichtete und ergänzt:

Doch irgendwie muss den Schweizer Behörden ein Dossier mit einer Beschreibung des Tiroler Datenhändlers zugespielt worden sein. In Nordrhein-Westfalen gibt es Spekulationen, dass man den Tiroler bewusst auffliegen lassen wollte. Nach Durchsicht der CD wurden rund 1100 Ermittlungsverfahren in Deutschland eingeleitet. In 13 Filialen einer Schweizer Bank in Nordrhein-Westfalen wurden im Juli von rund 150 Polizisten auf Antrag der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Razzien durchgeführt. Wie der Tiroler in die Sache hineingeschlittert ist, darüber gibt es bisher nur Vermutungen. Denn eine Frage stellt sich den Behörden: Wer hatte Interesse, die Daten von deutschen Steuersündern bei der Schweizer Bank herauszugeben? Möglicherweise war der Tiroler in einen Konkurrenzkampf von einigen Banken in der Eidgenossenschaft hineingeraten und wurde von Insidern mit Informationen gefüttert, um den Konkurrenten zu schaden. Wolfgang U. sei deshalb mit einer Daten-DVD versorgt worden, kursieren in der Schweiz seit einigen Tagen heftige Gerüchte. Denn im Sommer hat Nordrhein-Westfalen noch einmal 220 Datensätze von mutmaßlichen Steuersündern einer anderen Bank um 1,5 Millionen Euro erworben. Doch dieser Datenverkäufer hat die Summe einer wohltätigen Einrichtung gespendet. Der Tiroler ist hingegen aufgeflogen, weil eine Vorarlberger Bank verdächtige Geldflüsse – Verdacht der Geldwäsche – auf einem Konto gemeldet hat.
24.10.2010, 09:12 krone.at berichtet von einem anonymen Brief eines Insiders, der behauptet, U. sei von einer Grossbank instrumentalisiert worden, um eine Konkurrentin anzuschwärzen:
Der mysteriöse Freitod des angeblichen Steuer-Spions Wolfgang U. in einer Schweizer Gefängniszelle hat für viel Aufsehen gesorgt – und für wildeste Spekulationen, die auch bis heute nicht abreißen wollen. So schildert ein "Insider" in einem anonymen Brief an die "Krone", wie der 42-jährige Tiroler von einer namhaften Großbank in die Affäre hineingezogen und benutzt worden sein soll. Steuerstreit mit den USA, Ermittlungen der Finanzaufsicht – durch Negativschlagzeilen soll diese stetig Kunden an eine Konkurrenzbank verloren haben. Briefzitat: "Die Bank wollte nun aus der medialen Schusslinie und den Geldabfluss verhindern." Der Plan: Verkauf der Daten bereits gewechselter Kunden an Deutschland. Und da sei Wolfgang U. ins Spiel gekommen: Ein Direktionsmitglied soll ihn gekannt und für eine Millionen- Belohnung als Strohmann geködert haben.
24.10. 15:40 Die Tiroler Tageszeitung meldet auf tt.com:
Anfangs glaubte man, dass die Verhaftung im Zusammenhang mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Feldkirch stand. Doch das war nicht der Fall, wie Staatsanwalt Wilfried Siegele betont. „Wir haben aufgrund einer Anzeige einer Bank Ermittlungen aufgenommen, aber den Mann nicht zur Verhaftung ausgeschrieben.“ Die Bank schlug wegen möglicher Geldwäsche Alarm. Mittlerweile legte die Staatsanwaltschaft Feldkirch den Fall zu den Akten. Weil der Verdächtige tot ist. Nicht so die Bundesanwaltschaft in Bern. Denn sie hatte den in Winterthur lebenden Tiroler bereits im Februar wegen des Verdachts von Bankdatendiebstählen und dem Verkauf der Daten nach Deutschland ins Visier genommen. Laut TT-Recherchen wurden mehrere Rechtshilfeersuchen an mehrere deutsche Bundesländer übermittelt. (...) Ging man ursprünglich davon aus, dass der mutmaßliche Datendieb vor allem in den Verkauf einer Steuer-CD um 2,5 Millionen Euro an das Land Nordrhein-Westfalen verwickelt war, so könnte er aufgrund der Ermittlungen der Schweizer Behörden möglicherweise zuvor schon in mehrere andere Datendeals involviert gewesen sein. (...) Im Jänner und Februar hatte die Bundesanwaltschaft in Bern aber erstmals handfeste Hinweise auf die möglichen Datendiebe und begann u. a. mit Nachforschungen über den Tiroler. In Deutschland gibt es heftige Spekulationen darüber, wie das möglich war, zumal die Informanten sehr vorsichtig vorgegangen und auf absolute Diskretion bestanden haben. Doch von der Staatsanwaltschaft wurden Dossiers angelegt und den Akten beigelegt, die dann einsehbar waren. (...) Über den Tiroler wollten die Behörden in der Eidgenossenschaft zu den Hintermännern und möglichen Maulwürfen gelagen. (...) Für die Schweizer Ermittler war der Tiroler der Schlüssel, um zu den Maulwürfen zu gelangen. Beim ihm wurde auch ein Abschiedsbrief gefunden. 14 Tage saß er in Haft. Er habe sich Mühe gegeben, dass niemand etwas von seinen suizidalen Absichten mitbekomme, hieß es in dem Schreiben. Die Ermittlungen in der Schweiz sind akribisch, schließlich möchte unser Nachbarland den illegalen Datentransfer stoppen. In Deutschland ist man hingegen bemüht, die möglichen Tipps von Schweizer Banken zur Verschleierung der Steuerflucht von deutschen Staatsbürgern aufzudecken.
19.11.2010 Morgens um 7 entdeckt ein Gefängnismitarbeiter Ded Gecaj tot in seiner Zelle. Die SDA schreibt:
Der 52-Jährige hatte am 11. Januar 1999 den Lehrer seiner Tochter im Schulhaus Engelwies in St. Gallen erschossen. Dies nachdem die Tochter dem Lehrer anvertraut hatte, dass ihr Vater sie sexuell missbrauche.
Er war Anfang September aus dem Kosovo ausgeliefert worden. Der St. Galler Staatanwalt Thomas Hansjakob sagt gegenüber SF, Gecaj habe die Haftbedingungen kritisiert. Darum verlangt Hansjakob, dass Gecajs Tod unabhängig untersucht werde. Die SDA schreibt:
Sein Tod war bereits der zweite Todesfall in einem St. Galler Untersuchungsgefängnis in dieser Woche. Anfang Woche hatte ein Nigerianer Suizid begangen.
Es besteht kein Zusammenhang zum Tod von Wolfgang U., aber es ist festzuhalten, dass Gecajs Tod und U.s Tod von den Behörden allem Anschein nach unterschiedlich intensiv bearbeitet werden.


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Abt. Keintunnel CH
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