Samstag, 11. September 2010


Abt. Mikropolitik - heute: Public Private Partnership


Planconsult heisst die Firma, die seit Jahrzehnten unter anderem an staatlichen Beratungsaufträgen auch aus Basel-Stadt gut verdient. Mal die baselstädtische Schulreform organisieren, mal die ZLV durchleuchten, mal in Arlesheim doppelt verdienen (eine planconsult-Studie für den Regierungsrat BL sagt: Sekundarschule schliessen, weil zu wenig Kinder; eine zweite planconsult-Studie für die Gemeinde sagt das Gegenteil: Nein, es hat genügend Kinder): Planconsult kann alles. Früher das Planungsbüro von "Burckhardt und Partner", seit 1985 per management buyout selbständig. Bei dieser planconsult war bis Anfang 2009 auch die aktuelle Leiterin der Fachstelle "Stadtwohnen" in der Kessler'schen Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung im Präsidialdepartement, Regula Küng. Von der Bau- und Immobilienlobby direkt ins Planungsamt: Auch eine Form von Public Private Partnership! Im Blatt "Der Hausbesitzer" des Hauseigentümerverbandes Basel-Stadt, der Familiengärten überbauen super findet, solange es billig und nicht allzu ökologisch erfolgt, gibt Küng den Tarif durch:

Der Hausbesitzer (HB): Warum benötigen wir zusätzlichen Wohnraum? Regula Küng (RK): Die Nachfrage nach Wohnraum in Basel ist gross und wächst. Prognosen von Wirtschaftsorganisationen sprechen zu einem Zuzugspotential von über 20'000 Menschen, um nur dem Wachstum im Life Science Sektor gerecht zu werden. Die Generation 50+ zieht es wieder in die Stadt. Die steigende Nachfrage nach Projekten spüren wir auch in unseren Gesprächen mit Investoren. Sie signalisieren Bereitschaft, wieder vermehrt in Basel zu investieren. Für mich ist klar: Wohnen und Leben in der Stadt ist im Trend. HB: Können Sie das in Zahlen konkretisieren? RK: In unseren Überlegungen gehen wir von einem Bedarf von 5'000 zusätzlichen Wohnungen in einer Zeitspanne von 10 Jahren aus. Das entspricht rund 500'000 m2 Wohnfläche und bietet 10'000 Menschen ein Zuhause in Basel. Aus volkswirtschaftlicher Sicht werden dadurch Investitionen von über 2 Milliarden Franken ausgelöst. (...) HB: wie sieht die politische Agenda zum Thema Wohnraumentwicklung aus? RK: In den nächsten 18 Monaten werden die Weichen gestellt. Als erstes gelangt die Initiative zum Schutz von Familiengärten zur Abstimmmung. Die Regierung hat dazu einen Gegenvorschlag für die Schaffung eines Gesetzes über Freizeitgärten entwickelt. Einerseits soll damit das Angebot für Freizeitgärten langfristig gesichert werden [Anm.: Kritik an dieser "Sicherung" siehe hier]. Andererseits werden die Grundlagen geschaffen, damit öffentliche Grün- und Freiräume sowie zusätzlicher Wohnraum entstehen können. Noch entscheidender ist die Zonenplanrevision, die im nächsten Frühling im Grossen Rat behandelt wird. Von der Regierung in Auftrag gegeben wurde die Entwicklung eines neuen Wohfördergesetzes. Dieses Gesetz entsteht auf der Basis der erwähnten Strategie und wird voraussichtlich in einem Jahr behandelt.
Was Küng kryptisch als "Prognosen von Wirtschaftsorganisationen" bezeichnet, heisst zu Deutsch: metrobasel, "her masters voice", behauptet aufgrund einer nicht öffentlich zugänglichen Umfrage in den Chefetagen der regionalen Industrie, bis in 10 Jahren entstünden in und um Basel 40'000 neue Arbeitsplätze, davon 20'000 alleine bei den "Life-Sciences". Die BaZ berichtete am 3.9., Christoph Koellreuter, Direktor von metrobasel, habe an einer Veranstaltung in Hofstetten-Flüh gar gesagt, er gehe "davon aus, dass bis zum Jahr 2020 in der Metropolitanregion 50'000 bis 80'000 neue Arbeitsplätze" entstünden. Diese sehr schwach fundierte, euphorische Behauptung eines triregionalen Jobwunders in den nächsten 10 Jahren, das ein lineares Wachstum der Beschäftigtenzahl in der Nordwestschweiz um rund 10% verkündet, ist alles an Grundlage für die Stadtentwicklungsstrategie, die Küng vertritt. Mehr ist da nicht! Ausser vielleicht - das ist jetzt leicht polemisch - noch der eine oder andere lockere Spruch eines Baulöwen bei einem "Investorengespräch", er würde ja schon investieren, wenn nur der Kanton Land dafür locker machen täte (in Küngs Worten: "Die steigende Nachfrage nach Projekten spüren wir auch in unseren Gesprächen mit Investoren. Sie signalisieren Bereitschaft, wieder vermehrt in Basel zu investieren.")! Das ist alles. Und auf dieser Basis, von diesen Interessen geleitet und getrieben, entwickelt die Verwaltung die Vorlagen, die dann der Regierungsrat der Oeffentlichkeit als Strategie verkauft. So geht das. Wieso steht eigentlich bei keiner einzigen der Nasen, die von der Privatwirtschaft zur "Stadtentwicklung" gewechselt haben, um dort den verlängerten Arm ihrer früheren Gschpusis zu spielen, wo sie zuvor gearbeitet haben? Warum enthält uns das Präsidialdepartement diese Information vor? Und sage jetzt niemand damit, das tangiere die Privatsphäre!

Kommt mir grad in den Sinn: Was wurde eigentlich aus der "Oekostadt Basel", Gründungsmitglied Daniel Wiener?


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Abt. Zufälle - heute: jüdischer Friedhof & Weizsäcker


Das eine hat sicher nichts mit dem anderen zu tun, aber nebeneinander gehalten irritiert die resultierende Form. Das eine: Im Programm zum merkwürdigen Anlass namens "gowest!" hat irgend ein Redenschreiber Regierungsrat Wessels eine zumindest missverständliche Formulierung in den Mund gelegt in der Grussbotschaft, die so interpretiert werden kann, dass der jüdische Friedhof zur "ungeliebten städtischen Infrastruktur" zu zählen sei, wie "Kehrichtverbrennung, Schlachthof" und "Psychiatrische Universitätsklinik". Davon hatten wir's unlängst. Das andere: Auf demselben Flyer zu "gowest!" lesen wir, dass eine "Glutz Kommunikation" verantwortlich sei für dessen "Konzeption und Gestaltung". Auf ihrer Website streicht die Firma die Geschichtsträchtigkeit ihres Sitzes am Steinenring 40 damit heraus, dass Ernst von Weizsäcker in dem Haus als deutscher Konsul tätig gewesen sei. Die Formulierung ist von der Kommunikationsagentur dabei so missverständlich gewählt, dass man a) meinen könnte, Weizsäcker habe von 1913 bis 1981 dort gearbeitet und b) in derselben Zeit sei dort das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland gewesen (siehe unten). Die gibt es aber erst seit dem 23.5.1949. Und tatsächlich war Weizsäcker lediglich zu Beginn der 20er Jahre kurz (und vielleicht Mitte 30er Jahre) in dem Haus anzutreffen. Und wurde 1949 in Nürnberg wegen der Deportation französischer Juden nach Auschwitz als Kriegsverbrecher zu 5 Jahren Haft verurteilt. Und im Klima des Kalten Krieges 1950 amnestiert. Der Spiegel nannte im März 2010 Weizsäcker "Diplomat des Teufels". Wozu heftet Glutz sich den Mann auf der Website so an's Revers? Zudem gibt's in dem Haus offenbar noch einen "Weizsäcker-Raum", wie auf einem der Bilder hier zu erkennen. Und warum winkt dieselbe Agentur das unsägliche Grusswort von Wessels durch? Ein Schelm, wer meint, es gäbe einen Zusammenhang, der tiefer gehe als bis zum naiven Halbwissen der Texter!


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