Abt. Stimmt, dass… - heute: BS am Pharmatropf hängt?


Die JuSos von Basel-Stadt fordern, anlässlich der Ankündigung von Novartis, 500 Stellen zu streichen, explizit, was - wenn ich mich nicht ganz schwer täusche - von ihrer Mutterpartei so noch nie verlangt wurde:

Wir fordern von der Basler Regierung die Erarbeitung eines Konzepts zur Diversifizierung und Re-Regionalisierung der Wirtschaft und der ernsthaften Absicherung des Klumpenrisikos Pharma-Grossindustrie, damit gerade die junge Generation in Zukunft in einem selbstbestimmteren Basel leben kann (…)
Wär eigentlich schon lange fällig von einer langfristig vorausschauenden, umfassend planenden Regierung & Verwaltung.

Das wär doch eine sehr verdienstvolle Aufgabe für z.B. die Wirtschaftsgeographie an der Uni Basel... Als Reminder: Artikel 6 im "Vertrag zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt über die gemeinsame Trägerschaft der Universität Basel" lautet:

Die Regierungen der Vertragskantone können Mitglieder des Universitätslehrkörpers oder Universitätsinstitute mit Gutachtenaufträgen oder der Erbringung anderer Dienstleistungen beauftragen, ohne dass dafür besonders Rechnung gestellt wird, soweit die mit dem Budget bewilligten Ressourcen der betreffenden universitären Gliederungseinheiten dies erlauben.
Die Szenarien für "Basel ohne Pharma" oder "Basel mit weniger Pharma", ausgearbeitet für den Kanton durch die Universität, wären also sogar kostenlos zu haben! Man muss sie nur einfordern!

Wie abhängig ist aber eigentlich Basel von der Pharma ganz konkret? Wie viel der Staatseinnahmen machen die Steuerzahlungen der Chemie aus? Man kann ja mal die Zahlen des Jahresberichtes der Regierung für 2012 anschauen.

Betrachten wir zuvor aber erst mal, wie viel Geld Novartis und Roche 2012 als Reingewinn auswiesen und welchen Anteil davon sie an ihre Aktionäre verteilten.

Roche Reingewinn 2012: 17,2 Milliarden Roche Dividendenzahlung: 7.35 pro Aktie => 6,3 Milliarden ausbezahlt Novartis Reingewinn 2012: $9,62 Milliarden = 8,8 Milliarden CHF Novartis Dividendenzahlung: $2.30 pro Aktie => $5,56 Milliarden = 5 Milliarden CHF

Novartis und Roche verteilten zusammen also Anfang 2013 an ihre Aktionäre 11,3 Milliarden Franken.

Wie viel bezahlten sie demgegenüber an Steuern? Im Detail natürlich schwer zu sagen. Die Einnahmen des Kantons 2012 insgesamt aus Gewinn- und Kapitalsteuern, worunter die Zahlungen von Novartis und Roche vermutlich einen grossen Brocken ausmachen, betrugen laut Jahresbericht: 638 Millionen. Nehmen wir drum, über den Daumen gepeilt, an, Novartis und Roche bezahlten davon 500 Millionen.

Die Aktionäre der Pharmariesen hatten also, zugespitzt formuliert, 22 Mal mehr von den Gewinnen als der Kanton Basel-Stadt von ihnen Gewinn-Steuern erhielt. Oder: Die Gewinn-Steuern der Firmen betragen gerade mal 4,4% der ausbezahlten Dividenden. Und trotzdem schreit die Branche ständig nach weiteren Senkungen des maximalen Gewinnsteuersatzes. Eigentlich recht frech. Und demnächst setzt sie - voraussichtlich - mit Lukas Engelberger gar einen lautstarken Advokaten für die Senkung - und einer der ihren - in den Regierungsrat. Man ist versucht, das dreist zu nennen.

Wie viel der gesamten Einkommens- und Vermögenssteuern machen die Steuern der Pharma-Angestellten aus? Da wird es schwierig. Man müsste wissen, wie viele davon überhaupt in Basel-Stadt wohnen. Man ist versucht zu vermuten, es sei eine Minderheit. Und wie viel die im Durchschnitt verdienen. Was wollen wir annehmen? Gemäss den jüngsten erhältlichen Zahlen (2011) gibt's in BS in der chemischen und pharmazeutischen Industrie etwas über 17'000 Vollzeitstellen, verteilt auf 18'000 Leute. Nehmen wir - optimistisch - an, die Hälfte davon wohnt in BS und zahlt hier Steuern. Und nehmen wir weiter optimistisch an, jede der 9'000 verdient so gut, dass sie - nach allen Abzügen - im Schnitt 30'000.- Kantonssteuern zahlt. Dazu braucht's gemäss Steuerrechner einen Ledigennettolohn von 160'000.- pro Jahr. Astronomisch viel, aber lassen wir das - als Durchschnitt - trotzdem mal so, um die Obergrenze abzuschätzen. Dann zahlen die Chemieangestellten in BS 270'000'000.- Steuern. Das ist leicht mehr als 10% aller Steuereinnahmen (2,51 Mrd) und etwa 6% aller Einnahmen des Kantons (4 Mrd.). (Die Zulieferindustrie lassen wir ausser Acht.)

Wie wichtig sind aber die Gewinn- und Kapitalsteuern für den Kanton überhaupt? 2012 trugen sie 25,4% zu den Einnahmen aus Steuern bei.

Und wie wichtig sind die Gewinn- und Kapitalsteuern innerhalb der gesamten Einnahmen des Kantons? 2012 trugen Steuern 66% bei zu den Kantonseinnahmen. Davon 25,4% sind 16,8%. Das ist der Anteil aller Gewinn- und Kapitalsteuern an den gesamten Kantonseinnahmen.

Fazit?

a) Die Forderung der JuSo ist sehr berechtigt!

b) Es bräuchte aber zwingend mal eine kritische Analyse dazu, wie gross die Abhängigkeit tatsächlich ist. Dass BAKBasel das im Auftrag von Interpharma nicht leistet mit ihrem Gefälligkeitsgutachten "Bedeutung der Pharmaindustrie für die Schweiz", versteht sich von selbst! Vielleicht käme bei einer kritischen Betrachtungsweise ja zum Vorschein, dass die seitens Industrie und Umfeld für sich reklamierte Bedeutung primär ein PR-Kampfbegriff ist und andererseits in der andauernden Rede von der Abhängigkeit seitens Politik und Gewerkschaften auch ein guter Teil Selbsthypnose und Selbstentmächtigung steckt. Könnte ja immerhin sein.

c) Zwar tragen Novartis und Roche - ganz grob und von weitem geschätzt - via Gewinn- und Kapitalsteuern etwa 12,5% und via Einkommens und Vermögenssteuern ihrer Angestellten nochmals etwa 6%, also aufgerundet 20% zu den Kantonseinnahmen von ziemlich genau 4 Milliarden bei, aber andersherum tragen sie eben auch NUR 20% dazu bei. Der Kanton wird zu 80% NICHT direkt von der Pharmabranche finanziert. Kann man ja auch mal so sehen!

P.S. Ja, die von der Pharma abhängigen Zulieferer haben wir jetzt mal absichtlich weggelassen.


BS Pharma Doping & Entzugserscheinungen

Die Analyse liegt nicht sehr fern von anderen Quellen. In einem BZ Interview mit Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin (SP) vom 02.03.13 sagt er auf die Frage wie sich ein Wegzug von Novartis auf Basel auswirken würde:
Zitat Details kann ich nicht nennen. Die Life-Sciences-Industrie trägt einen nicht unbedeutenden Teil zu den kantonalen Ertragssteuern von knapp 600 Millionen Franken bei. Ein Wegfall dieser Einnahmen wäre ein gravierendes, aber unmittelbar nicht existenzielles Problem für den Kanton. Das Problem stellt sich mittelfristig: Welche Folgen hätte der Wegfall nachgelagerter Betriebe? Zitatende
und sagt weiter Zitat Die Life-Sciences-Industrie hat einen Anteil von 29,7 Prozent an der Wertschöpfung im Stadtkanton. Hinzu kommen 5 Prozent der Chemischen Industrie. Zitatende.
Die Zulieferindustrie sowie die Forschung bilden einen signifikanten Teil der Basler Ecosphere und dürfte bei einer tieferen Analyse nicht mehr ausser Acht gelassen werden, denn wie der Wirtschaftsdirektor andeutet würde ein Wegzug von Novartis kurzfristig zwar tragbar sein aber mittelfristig zu unangenehmen Entzugserscheinungen führen. Da braucht's dann keine neuen Hochhäuser mehr ;-)

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Ha!

Da lag ich - freihändig über den Daumen peilend - gar nicht so schlecht! :-)

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