Abt. Mikropolitik - heute: Maschendrahtargumente


V.l.n.t.: Schäfer (SP), Bernasconi (GLP), Malama (FDP), Dätwyler (Gewerbeverband) und Albrecht (LDP) hinter Gitter an ihrer Medienkonferenz. Sie suchen dort krampfhaft nach Argumenten, um die Partikularinteressen der Häusle- und Hochhausbauer zu vertreten. Und sind dabei auf ein neues gestossen: Opportunitätskosten. Auf ihrer Kampagnenwebsite (leider unverlinkbar) scheinargumentieren sie:
Die privaten Freizeitgärten haben hohe Opportunitätskosten. Bei einem angenommen Quadratmeterpreis von CHF 1000 und einem durchschnittlichen Zins von 4% kosten die 2106 privaten Freizeitgärten auf Stadtgebiet den Kanton 20,4 Millionen Franken pro Jahr. Damit subventioniert der Kanton jeden einzelnen Pächter bzw. seinen Garten mit 10'000 Franken. In keinem Verhältnis dazu steht die jährlich Pachtgebühren von 240 Franken.
Dass die Familiengärten nicht "privat" sind, sondern mehrheitlich auf staatlichem Boden liegen, der gepachtet ist, sei vorweg kurz richtig gestellt. Privat wird das Land erst, wenn es in Bauland umgewandelt, verkauft und überbaut ist. Aber lassen wir das. Dass 4% im aktuellen Zinsumfeld eigentlich nahe am Wucher sind, sei vermerkt, aber ihnen in ihrer argumentativen Not belassen. 2106 Gärten auf Stadtboden sind für direkt mindestens 5'000 Menschen (Pächter und nächste Angehörige) ein Teil ihrer Lebensqualität in der Stadt. Die Zufriedenheit, Gesundheit, soziale Integration und Vernetzung, Ergänzung zur Ernährung, Erholung, Sinnerfahrung dieser 5'000 Menschen lässt sich natürlich nicht in Franken und Rappen bemessen. Aber wenn's denn sein müsste, wären sie wohl allemal 50 Rappen pro Stunde wert! Und wiegen damit die behaupteten "Opportunitätskosten" sehr gut auf! Die 10'000.- pro Garten sind darum keine Einnahmen, die dem Staat entgehen und auch keine Subvention, die der Kanton ausrichtet, sondern eine legitime und angemessene Investition des Kantons in das Wohlergehen seiner BürgerInnen (was gemäss Verfassung, Artikel 15, "Der Staat orientiert sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben an den Bedürfnissen und am Wohlergehen der Bevölkerung." auch seine Aufgabe ist), getätigt - wenn man unbedingt monetär argumentieren will - mit Geld des Gemeinwesens, also eben dieser BürgerInnen! Diese Investition ist mindestens ebenso legitim wie das jährlich Dutzende von Millionen kostende Steuergeschenk an Grosschemie und Banken, das dieselben Kreise von SP bis LDP unlängst einstimmig durchwinkten. Aber das wird diesen von partikulären Privatinteressen geleiteten Kreisen wohl nie in den Kopf gehen!

P.S. Eine Lektüreempfehlung an das liberale Grossbürgertum: Die Artikelserie in "Die Zeit" zum Thema unter dem Titel "Von wegen spiessig" vom 15.3.2011: "Schrebergärten sind die neuen Zufluchtsorte für junge Städter. Sie wollen dort ökologisch Gemüse anbauen, sich frei entfalten – oder suchen einfach nur Ruhe."

P.P.S. Verschiedentlich - auch vom Maschendrahtkomitee - wird das hanebüchene Argument gegen die Gärten angeführt, dass 10% der PächterInnen aus dem Baselbiet kämen. Dem ist entgegenzuhalten: 50% der von Basel-Stadt verwalteten Gärten liegen auf baselbieter Boden! Und das hat seinen guten Grund. Denn: Berücksichtigen wir kurz das Argument der Gegner, dann werden also insgesamt 90% der Gärten von BaselstädterInnen bebaut. Das heisst aber: 40% der baselstädter GärtnerInnen könnten, ohne die Areale auf BL-Boden, gar keinen Garten haben. Das heisst auch: Das Angebot auf Stadtboden würde alleine nie ausreichen für die Nachfrage nach Gärten von Menschen, die in der Stadt leben! Aber gerade in der Stadt sollen jetzt Gärten überbaut werden? Das geht hinten und vorne nicht auf! Und dass 1 von 10 GärtnerInnen, die einen von Basel-Stadt verwalteten Garten bebauen, aus dem Baselbiet kommen, ist dementsprechend nicht mehr als recht und eine kleine partnerschaftliche Geste an das Baselbiet für das Gastrecht, das die baselstädter GärtnerInnen auf der Landschaft geniessen!


Darf man ...

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