Abt. Krankheitspropaganda - heute: Depression


Die Schweizerische Depeschenagentur verbreitet heute, was ihr an einer Medienkonferenz der Werner Alfred Selo Stiftung diktiert wurde. SDA Titel der Meldung von 13.28:

Schweizer wissen immer noch sehr wenig über Depressionen
Was 20min.ch daraus verschlimmbesserte, verkürzte und zusammenphantasierte, steht morgen vermutlich in der Printausgabe und ist online hier zu finden. Die Medienmitteilung der Stiftung beginnt marktschreierisch mit dem Titel:
Volkskrankheit Depression: Die Schweiz hat immer noch Berührungsängste
Im Lead des PR-Textes der Stiftung steht:
Die Schweizer Bevölkerung weiss immer noch sehr wenig über Depression.
Grundlage: Eine im Auftrag der Selo Stiftung durchgeführte Umfrage von GfS: Werner Alfred Selo Umfrage 2010. Dort drin allerdings ist nachzulesen, dass auf die Frage "Was sagt Ihnen der Begriff Depression?" nur gerade 4 von 714 Befragten antworteten: "Noch nie gehört." 11% der Befragten geben an, den Begriff vom Hören zu kennen. 33% wissen, was er bedeutet; 17% kennen Symptome und Verlauf. Daraus wird in der Medienmitteilung die gelinde gesagt flapsige, eigentlich kreuzfalsche Formulierung:
Über 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung – ca. 800'000 Menschen – wissen nicht einmal, was Depression ist.
Ebenfalls in "Zusammenfassung & Folgerungen" wird daraus, man weiss nicht wie, gar:
Eine breite Aufklärung der Schweizer Bevölkerung tut dringend not. Besonders wichtig ist die Früherkennung der Krankheit bei Kindern und Jugendlichen.
Auf die Frage
Was denken Sie, wo liegen die Ursachen einer psychischen Erkrankung?
geben 43% an "Arbeitssituation / Wirtschaft". Und gefragt, wem sie davon erzählen würden, wenn sie in psychologischer oder psychiatrischer Behandlung wären wegen einer Depression, nennen 75% die Familie, 38% Freunde, 4% Kollegen. Daraus wird in der Interpretation der Stiftung:
Arbeitsbedingte Probleme, materielle Belastungen und die gefühlskalte Umwelt werden gesamthaft als häufigste Ursachen für Depression genannt. Gleichzeitig ist es kaum möglich, im Arbeitsumfeld über das Thema zu sprechen. Folgerung: In den vergangenen Jahren ist klar geworden, dass Depression eine chronische Stressfolgeerkrankung ist. In diesem Spannungsfeld ist also auf verschiedenen Ebenen anzusetzen: beginnend bei Information und Prävention, um eine Enttabuisierung und Entstigmatisierung am Arbeitsplatz zu erreichen.
Die Frage an die Laien war, wo sie die Ursachen für, nota bene, eine psychische Erkrankung, nicht spezifisch Depression, vermuten. Mit Betonung auf "vermuten"! Und mit wem sie reden würden, wenn sie in Behandlung wären. Mit Betonung auf "wären"! Beides sind ergo Spekulationen und Vermutungen von zufällig ausgewählten nicht-Fachleuten! Der PR-Text aber erweckt den Eindruck, man habe spezialisierte Arbeitsmediziner befragt über Beobachtungen in ihrer Praxis und Depressive zu ihren Möglichkeiten, über die Behandlung ihrer Krankheit zu reden. Aus den bei Laien abgerufenen, ins Blaue formulierten Mutmassungen folgert der Text im Namen der Stiftung sofort "Präventionsmassnahmen" etc. pp. am Arbeitsplatz. Das ist pure Manipulation und Propaganda!

Eine weitere Aufgabe an die Befragten war, einige Aussagen auf einer Skala von 1 (trifft sicher nicht zu) bis 4 (trifft sicher zu) zu bewerten. Darunter auch:

Etwa fünf Prozent der Bevölkerung leiden an Depressionen.
Diese Behauptung erhielt gemittelt eine 3,1. Daraus wird in "Zusammenfassung & Folgerungen":
Fast alle Befragten teilen die Einschätzung, dass etwa 5% der Schweizer Bevölkerung an Depressionen leiden.
Laien, die von Epidemiologie im Allgemeinen und jener von Depression im Speziellen keine Ahnung haben, werden mit einer unklar formulierten Behauptung (Lebenszeitprävalenz? Jahresinzidenz?) konfrontiert und sollen über deren Realitätsgehalt spekulieren. Worin liegt da der Erkenntnisgewinn? Er ist genau Null!

Die im Titel der Medienmitteilung grossspurig behaupteten "Berührungsängste" der Schweiz gegenüber Depressionen klingen in "Zusammenfassung & Folgerungen" viel kleinlauter:

Der Vergleich zu 1995 zeigt: Der Anteil der Personen, die mit niemandem über Depression sprechen würden, ist um zwei Drittel (von 18% auf 6%) gesunken. Die Gesamtbevölkerung scheint heute besser für das Thema Depression sensibilisiert zu sein, sodass man offener darüber spricht. Auf der anderen Seite hat sich der Anteil derer, die im Prinzip mit allen darüber reden würden ebenfalls von 11% auf 4% reduziert. Offenbar werden sensible Themen heute selektiver kommuniziert und man wendet sich damit vor allem an die Familie.
Aber dieser Befund, dass heute mehr Leute präziser wissen, mit wem sie worüber reden wollen, ergibt natürlich keine alarmistische, Panik verbreitende Schlagzeile. Also landet dort, im Titel der Medienmitteilung, nur grotesker Mumpiz!

Im Lead der Medienmitteilung der Selo Stiftung wird behauptet:

Dabei leiden über 20 Prozent der Menschen an Depressionen.
Diese Formulierung ist mindestens missverständlich, vermutlich irreführend und ziemlich sicher kreuzfalsch. Über die Häufigkeit von Depressionen in der Gesamtbevölkerung oder über die Grösse des Anteils der Menschen, die im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkanken, sind für die Schweiz keine gesicherten Zahlen vorhanden! Jeder kann plusminus behaupten was ihm in seinen Kram passt.

Dieses Spielchen mitgetragen wird von einem so genannten "Wissenschaftlichen Beirat". Dort drin sind zu finden:

Prof. Dr. med. Julius Angst, Psychiater, Zürich; Dr. med. Irene Barone-Kaganas, FMH für Neurologie, Basel; Dr. med. Fritz Ramseier, Psychiater, stv. Chefarzt Psychiatrische Klinik, Königsfelden; Dr. med. Eberhard Rust, Psychiater, Chefarzt Psychiatrische Klinik, Oberwil; Prof. Dr. med. Brigitte Woggon, Psychiaterin, Zürich; Dr. med. Hansruedi Isler, FMH für Neurologie, Zürich; Prof. Dr. med. Edith Holsboer-Trachsler, Leitende Ärztin, UPK, Basel; Prof. Dr. med. Erich Seifritz, PUK, Zürich; Prof. Dr. med. Konrad Michel, Psychiater, Thun; Prof. Dr. Volker Dittmann, Psychiater, Basel; Dr. med. Hansjoerg Weissenrieder, Psychiater, Zug; Dr. med. Martin Preisig, Psychiater, Lausanne; Dr. med. Waldemar Greil, Psychiater, Stauffacher Praxis, Zürich; Dr. med. Barbara Hochstrasser, Privatklinik Meiringen; Dr. med. Peter Sandor, FMH für Neurologie, Kantonsspital Baden

Die Umfrage, für welche die Damen und Herren ihren Namen hergeben, erscheint mir, mit Verlaub, alles andere als "wissenschaftlich", sondern sehr tendenziös und einseitig angelegt und interpretiert. Depression ist für die Betroffenen eine Tragödie. Ich wünsche ihnen bessere Anwälte als die, die hinter dieser Art Umfrage und der daraus hergeleiteten, von einer Küsnachter Bude namens "Life Science Communication" zu verantwortenden PR stehen.


Kann man ...

... sich denn durch Berührung mit Depression anstecken?

... Link

Oder mit ...

... Lesen?

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Manchmal ...

... reicht schon hingucken.

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"Fasse Dich kurz!"

hängt über meinem Bett. Aber es wirkt einfach nicht zuverlässig...

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