Abt. Propaganda via Umfrage - heute: gfs.bern zur Post


Der Bundesrat will die Post "liberalisieren". Mit welchem Argument? Die andern tun's auch. Mehr führt er nicht an. Im O-Ton:

Mit der Gesetzesrevision trägt der Bundesrat den nationalen und internationalen Entwicklungen im Postmarkt Rechnung. Die Postdienstleistungen haben sich in den letzten Jahren weiter entwickelt. So sind vermehrt private Anbieter im Postmarkt tätig. Zudem werden die Mitgliedstaaten der EU ihre Briefmärkte grösstenteils bis 31. Dezember 2010 und bis spätestens 31. Dezember 2012 vollständig geöffnet haben. Der Bundesrat will an der bewährten schrittweisen Marktöffnung festhalten.
Der Wortlaut klingt vertraut. So tönt's meist, wenn irgendwas "liberalisiert" werden soll. Unter anderem soll die Post zur AG werden, an der der Bund eine Mehrheit hält. Im Kleingedruckten steht, diese AG solle bitte mit den Gewerkschaften über einen Gesamtarbeitsvertrag verhandeln und "auch weiterhin eine soziale und vorbildliche Arbeitgeberin" sein. Sozialdemokratisches Wunschdenken! Oder ist es schon Augenwischerei? Egal. Die Post hat nun eine Umfrage über die Post in Auftrag gegeben (wie Newsnetz heute davon berichtet). Genauer: Irgend eine Gruppe im obersten Kader der Post hat sie bestellt. Das ist jenes Umfeld, dem Sozialdemokrat Moritz Leuenberger die frommen Wünsche in Sachen Arbeitsbedingungen bei der nachmaligen AG mit in die "liberalisierte" Zukunft geben will. Was ist wohl die Agenda der in Zukunft an Profitmaximierung orientierten Auftraggeber der Umfrage bei der Post? 1. Möglichen Konkurrenten das Leben schwer machen, 2. die Löhne senken, 3. neue Geschäftsfelder testen? Könnte ja sein. Schauen wir mal, wie die Umfrage fragte und was sie ergab: gfs.bern hat im Auftrag des Post-Kaders im späten Frühling herumtelefoniert. 1'206 Mal gelang es den Anrufenden, die Ueberraschten am anderen Ende der Leitung einzusülzen und ihnen ein paar Auskünfte aus der Nase zu ziehen. Die mussten beispielsweise spontan eine kompetente Meinung haben zu Sätzen wie

  • Die Post ist ein Teil unserer Heimat
  • Wir können uns eine teure Post-Infrastruktur in den Randregionen nicht mehr leisten
  • Die Post würde bessere Arbeit leisten, wenn sie nicht vom Bund kontrolliert würde
oder auch
Der Vorschlag für die revidierte Postgesetzgebung sieht auch vor, dass das Postpersonal künftig gleich wie Mitarbeitende privater Unternehmen nach den normalen Regeln des OR (Obligationenrechts) angestellt wird. Dies ist mit dem Verlust gewisser Privilegien – zum Beispiel dem Kündigungsschutz – verbunden. Sagen Sie mir bitte auch hier, für wie sinnvoll Sie persönlich diese Anpassung der Anstellungsbedingungen des Postpersonals halten. Ist das sehr sinnvoll, eher sinnvoll, eher nicht sinnvoll oder überhaupt nicht sinnvoll?
Die kommunizierten Resultate im SMS-Stil: Alle lieben die Post und wollen sie weiterhin im Dorf. Aber eine Anstellung gemäss OR reicht eigentlich für die Pöstler. Hypotheken und Kredite von der Post sind eher "nice to have". Dass auch andere in der Schweiz Briefe verteilen dürfen sollen, ist keine gute Idee. Interpretation und Kommunikation des Ergebnisses zu den Anstellungsbedingungen ("Anstellung gemäss OR sinnvoll...?" siehe oben) sind besonders interessant. Im Communiqué von gfs.bern lesen wir
Die im Rahmen der Revision der Postgesetzgebung geplante Unterstellung aller Postmitarbeitenden unter das Privatrecht wird von zwei Dritteln der Befragten für sinnvoll befunden.
Im Kleingedruckten quasi, genauer: im eigentlichen Kurzbericht dazu auf Seite 5 erfahren wir allerdings:
Die Einschätzung polarisiert stark nach Sprachregionen (nur deutschsprachige Schweiz dafür), beschränkt auch nach Parteibindungen (links eher dagegen) und Einkommensklassen (ganz tiefe Einkommen dagegen).
Fassen wir zusammen: Die lateinische Schweiz will nicht an den Anstellungsbedingungen der Postangestellten rütteln. Ebensowenig neiden Menschen mit tieferen Einkommen dem Pöstler seinen anständig gesicherten Job, sondern gönnen ihn ihm. Hingegen die gut und übertrieben viel verdienenden Deutschschweizer, dieses Pack sähe es offenbar mehrheitlich am liebsten, wenn die Post von Asylsuchenden für den Tagesansatz der Sozialhilfe erledigt würde. Und Longchamp ist sein Prophet. Nun ja, das mag etwas gar polemisch zugespitzt sein. Aber dass Longchamp u.a. in Sachen Anstellungsbedingungen so einseitig, um nicht zu sagen suggestiv fragt, die Antworten tendenziös interpretiert und im Communiqué unvollständig kommuniziert, lässt doch etwas Zweifel aufkommen an der ganzen Sache. Erinnern wir uns an die Auftraggeber der Umfrage und deren vermutete Agenda, beschleicht einen der Verdacht, hier werde via sich als "wissenschaftlich" gerierende Umfrage gezielt Politik gemacht. Zu den Anstellungsbedingungen hätte er ja auch fragen lassen können im Sinne von: "Das neue Postgesetz verschlechtert die Arbeits- und Anstellungsbedingungen bei der Post massiv. Damit fällt ein weiterer, wenn auch schwacher, Damm, der die Arbeitgeber in der Privatindustrie etwas bremste in ihren Bemühungen, die Löhne weiter zu drücken, also demnächst auch Ihren. Ist das sehr sinnvoll, eher sinnvoll, eher nicht sinnvoll oder überhaupt nicht sinnvoll?" Alleine mit der Art und Weise, wie die Fragen gestellt werden, lässt sich das Resultat, wenn auch nicht exakt, so aber doch ungefähr vorausbestimmen. Ich habe persönlich nichts gegen Claude Longchamp, dass das klar ist. Aber Umfragen dieser Art halte ich für eine Seuche. Langfristig schlimmer als die Schweinegrippe!

sorry fuzzy, das posting ist mal wieder viel zu lang, ich weiss...



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