Abt. Fehr verstehen - heute: die psychologische Wende


Der Zürcher Oekonomieprofessor Ernst Fehr verficht "die psychologische Wende in der Ökonomik". Meine Kurzfassung davon: "Surprise, Surprise! Wir ticken komplexer, als die Oekonomen meinen!" In Fehrs Formulierung:

Vereinfachende Grundannahmen des ökonomischen Mainstream: A1) Alle Wirtschaftssubjekte sind rational. Das bedeutet: Was immer die Ziele eines Wirtschaftssubjektes sind, es setzt die besten Mittel zur Erreichung dieser Ziele ein. A2) Alle Wirtschaftssubjekte sind eigennützig, d.h. ausschliesslich an der Maximierung des materiellen Eigennutzes interessiert. A3) Eigennutz und Rationalität aller Wirtschaftssubjekte sind gemeinsames Wissen aller Wirtschaftssubjekte: Jeder weiss dass alle eigennützig und rational sind. Jeder weiss, dass alle wissen, dass alle eigennützig und rational sind, usw. A4) Mainstream-Vermutung: Individuelle Abweichungen von A1-A3 haben keine Auswirkungen auf das durchschnittliche Verhalten von Aggregaten (Lernen, wechselseitige Kompensation individueller Abweichungen).

Die Psychologische Wende in der Ökonomik A1‘) Ein substantieller Prozentsatz der Wirtschaftssubjekte ist nicht rational. A2‘) Ein substantieller Prozentsatz der Wirtschaftssubjekte ist nicht nur an der Maximierung des materiellen Eigennutzes interessiert sondern besitzt auch soziale Präferenzen (Ziele). A3‘) Die meisten Wirtschaftssubjekte wissen dass A1‘ und A2‘ zutreffen.

Kritik der Mainstream-Vermutung Es gibt wichtige Situationen, in denen die neuen Annahmen A1‘-A3‘ fundamental andere Ergebnisse zeitigen als A1-A3.

Morgen erscheint in Science ein Paper mit Fehr als Coautor. Und ich beiss mir immer noch die Zähne daran aus. Es beschreibt die Resultate und Schlüsse aus u.a. einem Experiment mit Studis, das ich mal so sinngemäss wiedergebe:
Die Teilnehmer werden aufgeteilt in 10er Gruppen. Innerhalb der 10er Gruppen je in 2 5er Gruppen (5.1 und 5.2). Jede 5er Gruppe spielte eines von zwei Koordinationsspielen. In beiden Spielen gab es zwei Verhalten zur Wahl: A und B. Aber: In Gruppe 5.1 gab A mehr Gewinnpunkte. Und in Gruppe 5.2 gab B mehr Punkte. Die Mitglieder der Gruppen 5.1 und 5.2 wurden gemischt, ohne zu wissen, wo sie zuvor zugeordnet worden waren. Während jeder Spielperiode musste je ein zufällig ausgewählter Spieler die Gruppe wechseln (einer von 5.1 nach 5.2 und umgekehrt). Dass das passieren würde, wussten alle Mitspieler. In jeder Phase wählte jeder Spieler ein Symbol: Dreieck oder Kreis. Die Symbolwahl hatte keinen Einfluss auf die Anzahl Gewinnpunkte. Das Spiel dauerte 80 Perioden. Jede Periode bestand aus diesen Phasen: 1.1 Jeder Spieler entscheidet sich für Verhalten A oder B (ohne zu wissen, in welcher Untergruppe er ist und also welches Verhalten sich mehr für ihn lohnt [A lohnt sich in 5.1, B in 5.2]). 1.2. Jeder Spieler wählt ein Symbol: Dreieck oder Kreis 2. Ein Spieler wird vertauscht, ohne dass die anderen wissen, wer es ist. 3. Jeder Spieler gibt an, mit wem er das Koordinationsspiel spielen will: mit a) einem zufällig ausgewählten Spieler in seiner Untergruppe, der dasselbe Symbol trägt wie er oder b) mit irgend einem zufällig ausgewählten Spieler aus seiner Untergruppe. 4. Jeder Spieler bekommt seinen Gewinn entsprechend seinem Verhalten, dem Verhalten seines Partners und seiner Untergruppe

Die ganze Sache verlief in 2 Varianten: a) Die Spieler erhielten nach Phase 2 ein neues, zufällig ausgewähltes Symbol zugeteilt, egal, was sie in Phase 1.2 gewählt hatten b) Die Spieler behielten, was sie in 1.2 gewählt hatten

Und jetzt soll ich verstehen, was Fehr et al. aus den Resultaten schliessen über die Funktion von Symbolen, Zeichen und Merkmalen im Verhalten von sozialen Gruppen? Die offizielle Kurzfassung: Wenn äussere Merkmale ein zuverlässiger Marker sind für zu erwartendes Verhalten, dann bevorzugen wir jene Typen, die das gleiche Merkmal tragen wie wir. Sie meinen den FCB-Schal, Herr Fehr? Da bin ich aber sehr überrascht!



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