Abt. Was Ihr wollt


Der Narr als Wort- und Schicksalsverdreher

Die neue Mannschaft des Theater Basel hat bisher versucht, nach dem Motto "Was Ihr wollt" alle erdenklichen Publikumssegmente zu bedienen, und ist dabei bis heute nur sehr schwer einschätzbar geblieben. Seit dem vergangenen Sonntag steht <a href=www.theater-basel.ch target=blank>"Was Ihr wollt" nun als Solches bzw. als eben so betitelte Komödie von Shakespeare auf dem Spielplan. Regie geführt hat der neue Schauspielchef Elias Perrig in einer Weise, die sich dem Motto, das sich eben aus diesem Titel ableiten liesse, nicht unterwirft – zum Glück nicht.

Shakespeares Komödien sind erstaunlich vielseitig interpretier- und spielbar: Sie funktionieren als leichtfüssige Abendunterhaltung ebenso wie als tiefgründig-böse Analysen des menschlichen Seins. Perrig hat wie Stefan Bachmann vor einigen Jahren mit seinem blutigen "Sommernachtstraum" die zweite Variante gewählt. Das Resultat ist ein berührendes Drama der verlorenen und sich verlierenden Seelen, welches das Lachen oft schon im Keime ersticken lässt.

Die Inszenierung mag nicht unbedingt dem entsprechen, was alle wollen, weist aber in ihrer eigenständigen und klugen Art für das Theater Basel, das sein Renommee zu verteidigen hat, in die richtige Richtung.

PS: Nicht gesehen habe ich auch am gestrigen Abend den neuen Theater-VR-Präsidenten Martin B.


ich find ja ...

... «avantgardistische» interpretationen von klassikern schon seit den 80ern eine, meist leicht durchschaubare, provokation um der provokation willen, von regiesseuren mit beschränktem talent (ausser bei büchner. der schreit nach moderner interpretation und da hat mir auch fast alles gefallen - die woyzeck-verfilmung vom herzog hingegen ist zwar klassisch, aber zum kotzen - ausser kinski in ein paar szenen).

aber seit den 80ern ist die avantgarde unter den bühnenkünstlern ja der eigentliche mainstream.

gerade shakespeare könnte man von mir aus vor schwarzen vorhängen spielen. aber andere spierenzchen gehen mir in der regel auf den geist, weil sie vom text ablenken (abgesehen davon guck ich mir shakespeare lieber im kino an. da hab ich die originalsprachmelodie mit untertiteln als verständnishilfe. da fand ich die poppige «romeo und julia»-interpretation allerdings so lustig, dass ich sie mir drei mal angesehen hab).

aber immerhin darf in der neuen «was ihr wollt»-inszenierung auch mein nachbar mitspielen. geh ich also gucken.

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naja, was heisst schon «avantgardistisch»?

der begriff lässt ja ziemlich viel raum für interpretationen offen. das reicht von der von friedman zu recht als öde empfundenen provokation um der provokation willen bis zu wirklich zeitgenössischen inszenierungen. der "don carlos" beispielsweise erschien mir in dieser hinsicht mehr als gelungen. denn da hat sich einer mit dem text wirklich auseinander gesetzt und uns seine (plausible) lesart präsentiert. auch wenn mir die gegen schluss ein wenig zu fatalistisch-reaktionär war (aber man kann bzw. soll so ein opernlibretto halt auch nicht total gegen den strich bürsten), so war sie es doch wert, sich damit auseinander zu setzen.

was man noch gelten lassen könnte, wäre die kritik, eine solch intelligente inszenierung mache vor lauter hingucken und nachdenken die musik etwas vergessen. aber das ist oper, denke ich. und verdi hat mit seinen knalleffekten und gassenhauern ja dafür gesorgt, dass die musike nicht zu fest vergessen geht.

so, nun bin ich etwas abgeschweift. aber was ich sagen wollte: mehr zeitgenössische, oder meinetwegen moderne, inszenierungen, weniger avantgardistische im schlechten wortsinn!

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einverstanden

aber bei der kultur sind wir ja meistens einig.

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Was heisst ...

... denn Avantgarde?

Sie bezeichnet die Vorreiterrolle, Menschen, Bewegungen, die von gängigen bis abgetretenen Wegen abweichen, neue Ideen vertreten etc.

Ohne die künstlerische (und politische!) Avantgarde zu früheren Zeiten würde "Was Ihr wollt" noch so gespielt wie zu Shakespeares Zeiten.

Ist es das, was Ihr wollt?

Ich denke kaum. Denn: warum verkleiden sich die herausragenden Frauen in Shakespeares Komödien meist als Männer? Weil es lustig ist? Weil es für komödiantische Verwirrungen sorgt?

Ja. Auch deswegen. ABER es gibt noch einen weiteren Grund. Zu Shakespeares Zeiten durften Frauen nicht als Schauspielerinnen arbeiten. Das heisst: Shakespeares Frauenrollen wurden von Männern gespielt! Aber damals trugen Männer ja eh Strumpfhosen.

Würde Euch das gefallen heute? In "Was Ihr wollt" könnte es vielleicht ganz stimmig (und bestimmt als blödsinnig modern verschrieen) sein. Bei "Romeo und Julia" hätten wir vielleicht doch aber alle etwas mehr Schwierigkeiten. Oder hättet Ihr Leonardi di Caprio gerne mit Tom Cruise im Bett gesehen?

Oder nehmen wir die berühmten Schlegel-Tieck- oder Baudissin-Übersetzungen aus dem 19. Jahrhundert: Das sind tolle Bearbeitungen von Shakespeare, aber es sind eigentliche Bearbeitungen, die über das reine Übersetzen hinausgehen: Romantisierungen der ursprünglich zum Teil recht derben Originaltexte, die für uns alle in der Schule als der "wahre" Shakespeare verkauft wurden.

Was ich eigentlich sagen möchte: Jede Zeit hat ihren Shakespeare. Und das ist doch ganz spannend so!

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