Abt. bazille des Tages


Ja es ist schon richtig, dass wir hier (und hier ist auch Basel) direkte Demokratie kennen und manchmal auch vollziehen, das heisst abstimmen. Über Kulturvorlagen zum Beispiel, wie die beste aller Basler (und bald auch grösste aller Baselbieter) Tageszeitungen heute bemerkt. In einer Art Rückschau auf Volksentscheide in Sachen Kultur erwähnt nun der eigentlich als Musikkritiker tätige Siegfried S. auch Santiago Calatravas Entwurf für eine neue Wettsteinbrücke:

Im Mai 1990 kamen die beiden Projekte von Bischoff + Rüegg und von Calatrava vors Volk. Dieses gab mit 24700 gegen 22000 Stimmen dem konventionelleren und etwas preisgünstigeren Entwurf von Bischoff +Rüegg den Vorzug.
Wer weiss? Vielleicht hätte das Volk Calatravas Entwurf den Vorzug gegeben, wenn es dies hättte tun können. Aber leider: Variantenentscheide an den Abstimmungsurnen sind nicht möglich. Calatravas Brücke war vom damals klar bürgerlich dominierten Grossen Rat aus dem Rennen gezogen worden. Das Stimmvolk konnte im Mai 1990 demnach lediglich über den Kredit für einen Wettsteinbrücken-Neubau nach den Plänen von Bischof + Rüegg abstimmen.


Soweit ich mich erinner ...

... gabs auch mal ne vergleichende abstimmung, bei der aber die mehrheit für calatrava stimmte. die hiesige baulobby war dagegen, weil dafür zu wenig beton gebraucht wurde (ehrlich). der schurkische damalige baudirektor keller hat dann unter allen möglichen tricks und schlichen den volksentscheid ignoriert und bischoff + rüegg durchgemogelt. belohnt wurde er dafür nach seiner amtsniederlegung mit zahlreichen verwaltungsratssitzen in grossen baufirmen.

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die vergleichenden ...

... Abstimmungen fanden im Grossen Rat statt. Dort war ausser Keller fast niemand für das gebaute Bischof + Rüegg-Projekt. Favorit bei den Bürgerlichen war das Sprengprojekt der sogenannten Arge Wettstein (=Konglomerat aus Basler Baulöwen): ein Brett auf drei geraden Pfeilern. Dieses Projekt unterlag dann bei der Gegenüberstellung im Rat tatsächlich dem Projekt von Calatrava. Am Schluss der Ratsdebatte konnte das Bischof + Rüegg-Projekt mit den Stimmen der unterlegenen Arge-Wettstein-Befürworter dann doch noch knapp durchgestiert werden.

Aber dass Keller mitsamt dem Tiefbauamt damals ein mieses Spiel getrieben hat (mit Lügen in der Art wie dass das Calatrava-Projekt sei unsicher sei, dass so etwas noch nie gebaut worden sei etc.), das stimmt absolut.

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Schön ist auch...

...die Bildlegende auf S.34: Da überzeugte einer mit einer überzeugenden Leistung.

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details zu den kulturvorlagen

obige aussagen zu schiblis interessantem beitrag sind nicht ganz richtig...wenn auch nicht ganz falsch. wie du richtig feststellst, hat das parlament die calatrava-brücke abgelehnt. die calatrava-befürworter haben daraufhin das referendum ergriffen. bischoff & rüegg ja oder nein hiess die frage...wenn der kredit abgelehnt worden wäre, hätte die regierung die calatrava-variante bringen müssen.

man kann anderseits davon ausgehen, dass das volk die ewigen debatten um die brücke satt hatte. *) kam dazu, dass das tiefbauamt der calatrava-konstruktion nicht traute. sein gewährsmann hiess meng, eth-professor für die bauingenieure und selbst ein begnadeter brückenbauer (u.a. am nufenen) , traute der konstruktion nicht.

wie in vielen andern fällen funktioniert das links-rechts-schema im vorliegenden fall gar nicht. im pro calatrava-komitee waren renommierte bürgerliche. und unter den calatrava-gegnern noch renommiertere sozis, z.b. der damalige nationalrat und ingenieur euler, der mit einem calatrava-entwurf schlechte erfahrungen gemacht hatte.

*) erwähnen müsste man bei dieser gelegenheit, dass das volk auch noch mit weiteren varianten beglückt wurde. da gabs beispielsweise eine brücke von martin h.burckhardt. sie hätte vom wettsteinplatz her senkrecht über den rhein geführt und wäre als tunnel weiter gezogen worden, mit einem abzweiger beim kunstmuseum nach rechts...dort wäre (unter dem münsterplatz) ein parkhaus erstellt worden. ein komitee bestehend aus heimatschützern, kommunisten und liberalen (haha...es lebe das links-rechts-schema) hat das ding gebodigt.

und schliesslich ist das stimmvolk in den ersten wochen des jahrs 1990 mit einer vierten version beglückt worden. exponenten der kuttlebutzer präsentierten eine wettsteinbrücke von jeannot tinguely...letzterer gehörte dieser clique ja auch an. da gabs fantastische skizzen mit bewegten und bewegenden figuren. tinguely total eben. sein problem: niemand nahm ihn ernst. alles glaubte an ein fasnachtssujet der damals noch sehr aktiven fasnachts-querdenkern. ich habe mir vor kurzem von tinguely-kennern dessen idee erklären lassen und muss jetzt sagen: vermutlich wäre das die beste idee überhaupt gewesen, weil als basis eine technisch mehrfach bewährte thyssen-normbrücke fungierte. um die herum hätte jeannot seine mobilen figuren gruppiert. leider ist das von den witzbolden der kuttlebutzer (u.a. alt-regierer lukas burckhardt) so nie erzählt worden.

und noch dies: schiblis beitrag listet viele, aber nicht alle kulturvorlagen der letzten 30 jahre auf, zum teil im nicht richtigen zusammenhang. bei der opera-abstimmung (1985) ging es um eine initiative, die das operagebäude an der heuwaage erhalten wollte. das volk wollte nicht, ohne zu wissen, was die dieners als ersatz im köcher hatten. (unter uns gesagt: die vom zahn der zeit zerfressene fassade des altbaus war viel schöner als der grünliche plattenbau der die heuwaage seither verunziert.) die städtebaulich wegweisende abstimmung war übrigens 1976 (von schibli nicht erwähnt.) es ging um den unteren ausgang des marktplatzes. der ACV (gibts heute in dieser form nicht mehr) wollte einen superladen. das singerhaus und das haus vis-a-vis , wo heute der city disk ist, wollte man abbrechen und eine gigantische überbauung realisieren, inkl. einer art ponte vecchio über die marktgasse. das volk sagte nein. auch hier bringt das links-rechts-schema nichts. SP-koryphäen jener zeit wie miville oder hubacher waren für den abbruch, diverse liberale dagegen und der konsum mit seinem beachtlichen werbebudget verlangte bei jedem coop-kritischen beitrag in den damals vier tageszeitungen und sechs wochenblättern gegendarstellungen. das volk sagte trotzdem nein.
auch gegen den abbruch des volkshauses (siebziger jahre) wurde erfolgreich das referendum ergriffen. hier plante die rheinbrücke (heute manor) eine grossüberbauung.

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Halt! Berichtigung

Erstens: Niemand brauchte gegen die Kreditvorlage für die B + R-Wettsteinbrücke Unterschriften zu sammeln, sie wurde vom Rat selber dem obligatorischen Referendum unterstellt.
Zweitens: Es gab keinerlei Gewähr, dass nach einer allfälligen Ablehnung des B + R-Projekts die Calatrava-Variante zur Abstimmung oder gar zur Ausführung gekommen wäre. Keller und Konsorten sagten mehrmals, dass im Falle einer Ablehnung der B + R-Variante "logischerweise" die sog. Basis-Variante (=Sanierung der alten Brücke) folgen würde. Rechtlich wäre eine neue Regierungsvorlage und ein neuer Grossratsbeschluss nötig geworden. Ich glaube kaum, dass die damalige Regierung (ein – gelinde gesagt – seltsames Kabinett) und der damalige Grosse Rat dann die Calatrava-Version gewählt hätte.
Drittens: Natürlich hinkt das mit dem links-rechts-Schema immer (man schaue sich nur mal den heutigen Grossen Rat an). Aber ausser Bernhard Christ und ein paar vereinzelte liberale Mitstreiter hatte das Calatrava-Projekt tatsächlich nur wenig Freunde aus dem klassisch-bürgerlichen und nur wenig wirkliche Feinde aus dem linken Lager.

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*)

da gabs beispielsweise eine brücke von martin h.burckhardt. sie hätte vom wettsteinplatz her senkrecht über den rhein geführt und wäre als tunnel weiter gezogen worden...

Zeichne!

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so?

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Ha!

Eine Original-hkm.jpg-Grafik! Ausdrucken und an die Wand hängen! Wunderbar! Bin über den genau gleichen Satz gestolpert. Aber kann nicht zeichnen - und humorlos bin ich auch, hab ich das schon erwähnt?

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Holebone & Wetstone...

...noonemool!
Selbstironie wiegt schwerer als Humor.
Etliches!

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danke für die zeichnung...

...und für die präzisierung wegen dem referendum. letzteres war allerdings ein detail, weil die 2000 stimmen ja immer problemlos zustandekamen. der fredi lauper von der nationalen aktion behauptete, mit drei personen in der freien strasse und einer vor der rheinbrücke in der greifengasse habe er an einem samstagmorgen das referendum zusammen.

und eine präzisierung zur präzisierung: wenn du alles rund um calatrava zusammenzählst, wirst du zugestehen müssen, dass deine extremvariante (sanierung der alten brücke) ebenfalls einen kredit beansprucht hätte, der wieder per referendum hätte bekämpft werden können. fakt ist, dass das stimmvolk die jetzige brücke im wissen um calatrava gut hiess.

und noch zwei sätze zum links-rechts-raster und den klassenkampf, der 20 jahre später noch immer durchschimmert: sooo einheitlich wie geschildert waren die sozis gar nicht, allerdings einheitlicher als um 1980 herum. in der fraktion sassen nur noch systemveränderer. die reformer hatten sich in die DSP verabschiedet.

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Und ...

... dort sind sie immer noch.

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besser formuliert: und wenn sie nicht gestorben sind, sind sie immer noch dort. tatsächlich liegt die DSP auf dem sterbebett. einige mandatsträger sollen sich seit einiger zeit nach neuen politischen heimaten *) umsehen.

*) frage an germanistik-studenten: wie lautet die mehrzahl von heimat?

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Reformer?

Die dsp war und ist so altbacken, wie der wertkonservativste teil der deutschen spd. gewählt wurden die von proletariern, denen der sinn nach friedhofsruhe, «recht und ordnung» stand und die sich von langhaarigen und ausländern belästigt fühlten. aber für diese wählerschaft gibts ja jetzt die svp.

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